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Zweite Chance für Galileo-Satelliten

Geschrieben am 05.12.2018 in Kategorie: Sonstige Meldungen

Aufgrund einer Fehlfunktion der Soyuz-Oberstufe erreichten zwei Galileo-Satelliten im August 2014 nicht ihre vorgesehene Höhe. Darin sahen Forscher des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen sofort einen möglichen Glücksfall für ihre Forschung zu Einsteins Relativitätstheorie. Die Ergebnisse dieser unverhofften, wissenschaftlichen Satelliten-Mission wurden nun in der renommierten Zeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Am 22. August 2014 wurden die beiden Satelliten Galileo 5 und 6 mit einer russischen Soyuz-Rakete gestartet. Aufgrund einer Fehlfunktion der Oberstufe dieser Rakete konnten die Satelliten nicht in die vorhergesehene kreisförmige Umlaufbahn in ca. 23.500 Kilometer Höhe gebracht werden. Stattdessen fliegen sie auf einer elliptischen Bahn, auf der sie zweimal täglich ihre Höhe um ca. 8.700 Kilometer ändern. Da es zunächst danach aussah, dass die Satelliten dadurch nicht für das Galileo Positionierungssystem genutzt werden können, wurde sogar deren Abschaltung in Erwägung gezogen.

Neue Nutzung der Satelliten

Gravitationsphysiker des ZARM schlugen stattdessen vor, die Satelliten zusammen mit den mitgeführten Atomuhren zu nutzen, um einen verbesserten Test der gravitativen Rotverschiebung durchzuführen. Dieser Effekt ist eine der zentralen Vorhersagen der von Albert Einstein vor 100 Jahren aufgestellten Allgemeinen Relativitätstheorie. Sie besagt, dass Gravitation – in diesem Fall die Erdanziehungskraft – die Zeit beeinflusst. Genauer gesagt: Uhren laufen mit zunehmender Entfernung von der Erde, also z.B. im Weltraum, schneller als identische Uhren auf der Erde.

Zusammen mit Partnern der TU München ist es dem ZARM Team nun gelungen, die gravitative Rotverschiebung um den Faktor vier genauer als bisher zu bestätigen, die erste Verbesserung dieses Tests der Relativitätstheorie seit mehr als 40 Jahren. Eine parallele Analyse eines französischen Teams kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Beide Resultate wurden jetzt in der höchst renommierten Zeitschrift Physical Review Letters publiziert. Die Rotverschiebung hat große praktische Bedeutung in der Positionierung, der Navigation, bei der Definition der Internationalen Atomzeit sowie in der Erdvermessung und Geophysik.

Förderer hinter dem Projekt

Die Bremer Initiative zur wissenschaftlichen Verwendung der Galileo-Satelliten wurde sowohl vom DLR Raumfahrtmanagement als auch von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA aufgegriffen und mit den Projekten RELAGAL und GREAT unterstützt. Letzteres wurde im ESA General Studies Program aufgesetzt und vom Galileo Navigation Science Office am ESAC bei Madrid koordiniert. Dabei wurden die Daten zu Orbit und Uhrengang über drei Jahre vom ESOC Navigation Support Office in Darmstadt aufbereitet und dem Team am ZARM sowie einer weiteren Gruppe am Pariser Observatorium (SYRTE) für eine parallele unabhängige Analyse zur Verfügung gestellt. Zusätzlich zu den hochgenauen Uhren- und Orbitdaten wurden hierfür auch lasergestütze Positionsmessungen zu den Satelliten hinzugezogen.

Quelle

ZARM - Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation
Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation ist ein wissenschaftliches Institut und betreibt an der Universität Bremen Forschung für den Weltraum und unter Weltraumbedingungen.

Webseite: https://www.zarm.uni-bremen.de/

Galileo-Satellit im Orbit
Galileo-Satelliten werden in Medium Earth Orbits, platziert, in einer Höhe von 23222 Kilometern auf drei Ebenen. Wenn der Ausbau komplett ist, sollen immer mindestens vier Satelliten für Benutzer auf der Erde "sichtbar" sein.

Der fünfte und der sechste Satellit, die zusammen am 22. August 2014 gestartet wurden, gelangten in einen länglichen Orbit. Dieser führt sie bis 25900 Kilometer von der Erde weg und bis auf 13713 Kilometer an die Erde heran. Außerdem ist der Winkel der Umlaufbahnen zum Äquator geringer als ursprünglich geplant.
© ESA - P. Carril
Abtrennung von Galileo-Satelliten
Die Fregat-Raketenoberstufe flog zwei Galileo-Satelliten des größten Teils des Weges zum Medium Earth Orbit, bevor sie abgetrennt wurden.
© ESA - Pierre Carril, 2014
Galileo-Satellit
Künstlerische Ansicht eines voll funktionsfähigen Galileo-Satelliten, mit Plattformen hergestellt bei OHB in Bremen (Deutschland) und Navigationsnutzlast von Surrey Satellite Technology Ltd in Guildford (Vereinigtes Königreich).

Die ersten beiden voll funktionsfähigen Galileo-Satelliten wurden zusammen am 22. August 2014 mit einer Sojus-Rakete vom Raumfahrtzentrum Guayana in Französisch Guayana gestartet und ergänzten die vier bereits vorhandenen Satelliten im Orbit. Ein zweites Paar wurde am 28. März 2015 gestartet, ein drittes am 11. September 2015. Insgesamt werden 22 vollfunktionsfähige Galileo-Satelliten gebaut.
© ESA - Pierre Carril, 2014