Geschrieben am 05.12.2007 in Kategorie: Mission "Venus Express"
Wissenschaftler erkunden durch die gleichzeitige Untersuchung spektraler Eigenschaften von irdischen Vulkangesteinen und Messungen der ESA-Raumsonde Venus Express die mineralogische und chemische Zusammensetzung der Venusoberfläche.
Bis tatsächlich das erste Stück der Venusoberfläche in einem irdischen Labor untersucht wird, werden vermutlich noch viele Jahre vergehen. Doch schon heute stellen Laboruntersuchungen an vulkanischen Gesteinen von der Erde eine wichtige Hilfe dar, um die von tausenden von Vulkanen geprägte Oberfläche der Venus zu analysieren. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erkunden durch die gleichzeitige Untersuchung spektraler Eigenschaften von irdischen Vulkangesteinen und Messungen der ESA-Raumsonde Venus Express die mineralogische und chemische Zusammensetzung der Venusoberfläche. Mit dem Spektrometer VIRTIS an Bord von Venus Express sind wir in der Lage, in einigen Wellenlängen des nahen Infrarots durch die dichte Wolkenhülle des Planeten auf die Oberfläche zu blicken
, erklärt Dr. Jörn Helbert vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin.
Venus Express befindet sich seit dem 11. April 2006 in einer Umlaufbahn um den inneren Nachbarn der Erde und umkreist den Planeten einmal in 24 Stunden. Wir vergleichen die aufgenommenen Spektren mit Messungen von Gesteinen süditalienischer Vulkane und können durch den Vergleich mit der Erde besser einschätzen, um welche Gesteine es sich auf der Venus handelt
, sagt Helbert. Auf einer Pressekonferenz am 28. November 2007 berichtete die Europäische Weltraumorganisation ESA über dieses und weitere wissenschaftliche Ergebnisse, die mit der Mission gewonnen wurden. Sie werden in der aktuellen, der Mission Venus Express gewidmeten Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Nature vom 29. November 2007 veröffentlicht. An drei der neun wissenschaftlichen Aufsätze haben auch die Planetenforscher des DLR mitgewirkt. Im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der ESA ist Deutschland über die Raumfahrt-Agentur des DLR an der Mission Venus Express auch finanziell beteiligt.
Das könnte ein bedeutender Beitrag zur Lösung der Frage sein, wie sich der Vulkanismus auf der Venus entwickelt hat,
erklärt Helbert. Über die Mission und die Aktivitäten der Venusforscher beim Vergleich von Phänomenen auf der Venus mit Vulkanen in Süditalien hat die Europäische Weltraumorganisation ESA jetzt einen Film gedreht, der bald veröffentlicht werden soll. DLR-Forscher Helbert und andere erklären darin den Vulkanismus auf der Venus. Untersuchungen der Atmosphäre lassen den Schluss zu, dass die Venus, die fast genau so groß wie die Erde ist, vielleicht doch etwas erdähnlicher ist, als bislang angenommen - oder es zumindest war. Heute besteht die Gashülle des Planeten zu 96,5 Prozent aus Kohlendioxid, das zu einem massiven Treibhauseffekt und konstanten Temperaturen von lebensfeindlichen 457 Grad Celsius führt. Diese Temperaturen sind viel zu hoch, als dass Wasser, das auf der Erde in großer Menge vorhanden ist - auf der Venus stabil sein könnte. Die Frage ist, ob es auch auf der Venus je Wasser in nennenswerter Menge gegeben hat.
Venus Express-Messungen zeigen erhöhte Konzentrationen des Wasserstoff-Isotops Deuterium. Dies bestätigt die Annahme, dass die "heiße Schwester der Erde" in ihrer Frühzeit kühler war und zeitweise Wasser vorhanden gewesen sein musste. Es verdampfte jedoch rasch: Der in die Atmosphäre aufsteigende Wasserdampf verstärkte den Treibhauseffekt, so dass es auf der Venus noch heißer wurde. Die Sonnenstrahlung spaltete die Wassermoleküle auf, und der flüchtigere Wasserstoff entwich ins Weltall - allerdings bevorzugt dessen leichtere Isotope, so dass sich das schwerere Wasserstoff-Isotop Deuterium relativ in zehnfach höherer Konzentration als erwartet anreicherte. Der freie Sauerstoff trug zur Oxidation der Gesteine auf der Venusoberfläche bei.
Die Venus Monitoring Camera (VMC) an Bord von Venus Express gestattet es den Forschern, erstmals das Wettergeschehen an diesem Planeten über lange Zeiträume zu studieren. Die VMC wurde in einer Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der Technischen Universität Braunschweig und dem DLR-Institut für Planetenforschung mit Förderung der Raumfahrt-Agentur des DLR entwickelt und gebaut. Aus der elliptischen Umlaufbahn ist es möglich, die globale Dynamik vor allem der Südhalbkugel zu erfassen und gleichzeitig regionale atmosphärische Phänomene hoch aufgelöst in den äquatorialen Breiten zu untersuchen. Dort empfängt die Venus vom senkrecht stehenden Zentralgestirn die meiste Sonnenenergie.
Die über einen längeren Zeitraum mit der VMC gemachten Aufnahmen könnten einen Hinweis zur Klärung der Frage geben, wie die "Superrotation" in Gang gehalten wird: Mit Geschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern pro Stunde rasen die Wolkenbänder, abhängig vom Breitengrad, in nur drei bis fünf Tagen um den gesamten Planeten - viel schneller als die sich nur einmal in 243 Tagen um die eigene Achse drehende Venus selbst, und auch viel schneller als Winde auf der Erde. Die neuen Beobachtungen deuten darauf hin, dass durch die dynamische Ableitung der Wärmeenergie in höhere nördliche und südliche Breiten die Superrotation in Gang gehalten wird.
Über dem Südpol entdeckten die Forscher einen stabilen Wolkenwirbel, der stark an Hurrikane auf der Erde erinnert, aber drei- bis viermal so groß ist. Doch wechselt das Wetter in den südpolaren Breiten extrem schnell: So registrierte die VMC Veränderungen der Wolkendecke über großen Gebieten zwischen zwei aufeinander folgenden Orbits, mit Auswirkungen vom Südpol bis zum 35. südlichen Breitengrad. Wir vermuten, dass aus tiefer liegenden Atmosphärenschichten, aus der Mesosphäre, Schwefeldioxid aufsteigt und das Wettergeschehen massiv beeinflusst
, sagt Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung, der am Bau der VMC mitwirkte und Mitglied des VMC-Wissenschaftsteams ist. Das DLR-Institut für Planetenforschung führt die systematische Prozessierung der VMC-Bilddaten durch und erstellt kartographisch präzise Mosaike aus den Einzelbildern.
Das Spektrometer VIRTIS (Visible and InfraRed Thermal Imaging Spectrometer) an Bord von Venus Express hat die Fähigkeit, die Atmosphäre des Planeten dreidimensional zu untersuchen. Das heißt, VIRTIS kann in bestimmten Wellenlängen des nahen Infrarots in die Tiefen der Wolken schauen, was Aussagen über Phänomene in verschiedenen Höhen, bis hinunter zur Oberfläche erlaubt. In zwei Beiträgen für das Wissenschaftsmagazin Nature, zu deren Co-Autoren Dr. Jörn Helbert vom DLR zählt, werden neue Erkenntnisse zur Zusammensetzung der oberen Atmosphäre vorgestellt.
Mit Daten von VIRTIS können nun zum Beispiel detaillierte Angaben zur Verteilung des Sauerstoffs in der Gashülle der Venus gemacht werden, dessen Konzentration mit zunehmender Tageslänge steigt und während der Nacht wieder abfällt. Ferner ist die Dynamik der Wolken in dem Wirbelsystem über dem Südpol untersucht worden - nicht nur in ihrer räumlichen Verteilung und der zeitlichen Veränderung, sondern auch in ihrer Tiefenstruktur. Mit VIRTIS konnte die unteren Ausläufer des Wirbelsystems bis zu einer Höhe von 50 Kilometern beobachtet werden.
Daten von VIRTIS und VMC sind auch zur Erkundung der Zusammensetzung der Venusoberfläche geeignet. Das Spektrometer hat seit April 2006 mehr als tausend Bilder der Südhalbkugel aufgenommen. VIRTIS nimmt dabei im Gegensatz zu VMC nicht nur Daten für das atmosphärische Fenster bei der in beiden Instrumenten verfügbaren Wellenlänge von 1,02 Mikrometern (tausendstel Millimeter) auf, sondern über den gesamten Spektralbereich bis fünf Mikrometer. Mit diesen Daten ist es möglich, den Einfluss der Wolken auf das Messergebnis zu reduzieren und "wolkenfreie" Bildkarten der Oberflächentemperatur zu errechnen.
Wir verfeinern gegenwärtig diese Daten, indem wir störende Signale der Atmosphäre heraus rechnen
, erklärt Nils Müller vom DLR. Aus den minimalen Abweichungen zwischen gemessenen und modellierten Oberflächentemperaturen werden wir dann Rückschlüsse auf die Eigenschaften und Mineralogie der Oberfläche ziehen können
, erklärt Müller weiter. Damit wäre es erstmals möglich, verschiedene Minerale der Venusoberfläche anhand ihres Infrarotspektrums zu kartieren. Gemeinsam mit Kollegen anderer wissenschaftlicher Einrichtungen wird das VIRTIS-Team am DLR die Ergebnisse in Kürze veröffentlichen.
Will man die Daten von VIRTIS und VMC interpretieren, um auf mögliche Gesteine auf der Oberfläche zu schließen, stellt sich eine ganz grundlegende Frage: Verändern sich bei fast 500 Grad Celsius heißen Gesteinen die spektralen Eigenschaften von Mineralen, also ihr Reflexionsverhalten gegenüber unterschiedlichen Wellenlängen? Dieser Frage geht das DLR mit seinem Planetaren Emissivitätslabor (PEL) nach. Mit dem PEL kann die so genannte Emissivität von Mineralien und Gesteinen vermessen werden, die angibt, wie viel thermische Strahlung ein Material bei einer bestimmten Temperatur abgibt. Diese Eigenschaft und vor allem ihre Abhängigkeit von der Wellenlänge unterscheiden sich von Gestein zu Gestein und kann damit zur Identifikation genutzt werden. Dies wird auch von einem Spektrometer-Experiment auf der ESA-Mission Mars Express genutzt, das durch Messungen an Mars-relevanten Mineralen im PEL unterstützt wird.
Wie so vieles an der Venus, sind auch vergleichbare Messungen bei diesem Planeten ungleich komplizierter als am Mars
, sagt Dr. Alessandro Maturilli, der die PEL-Experimente am DLR durchführt. Zum einen muss die Emissivität im sehr nahen Infrarot bei 1,0 Mikrometer gemessen werden. Hier dominiert aber eigentlich das reflektierte Licht die Messungen. Deshalb führen wir auf der Venus die Messungen von VIRTIS und VMC auf der Nachtseite durch, und auch im Labor müssen störende Strahlungsquellen eliminiert werden: Die Gesteinsproben befinden sich während der Messung in totaler Dunkelheit.
Zum anderen herrschen auf der Venus permanent Temperaturen von fast 500 Grad Celsius. Bei dieser Hitze können sich die Eigenschaften von Gesteinen ändern und dies kann Einfluss auf ihre spektralen Signaturen haben. Zu diesem Thema gibt es bisher kaum systematische Untersuchungen, wir betreten hier unbekanntes Terrain
, sagt Helbert, der Leiter des Labors. Das PEL wird für diese Arbeiten derzeit mit einem speziellen Induktions-Heizsystem erweitert, das es erlauben wird, Proben in kurzer Zeit auf mehr als 500 Grad Celsius zu erhitzen.
Schließlich braucht man Proben die möglichst ähnlich denen auf der Venus sind. Einige solcher Proben befinden sind seit kurzem im DLR-Labor: Sie wurden von Dr. Jörn Helbert während der Dreharbeiten zu einer Venus Express-Dokumentation der ESA auf der Insel Vulcano (Italien) gesammelt. Weiteres Material wird vom Vernadski-Institut in Moskau im Rahmen einer internationalen Kooperation mit dem DLR und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau zur Verfügung gestellt. Die enge Kooperation zwischen Datenauswertung und begleitenden Labormessungen sind der Schlüssel zum Verständnis der Oberflächenzusammensetzung der Venus aus den Infrarotdaten von VIRTIS und VMC.
DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.
Webseite: http://www.dlr.de
Venus Express misst mit speziellem Thermometer die Temperaturen auf der Venus
14.12.2006