Geschrieben am 23.02.2016, 15:57:51 in Kategorie: Mission "Rosetta" mit Lander "Philae"
Im Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko gibt es keine großen Höhlen. Bei der Rosetta-Mission der ESA wurden Messungen durchgeführt, die das eindeutig nachweisen und somit ein lange bestehendes Mysterium lüften.
Kometen sind eisige Überbleibsel aus der Entstehungszeit unserer Planeten vor 4,6 Milliarden Jahren. Mittlerweile konnten insgesamt acht Kometen von Raumsonden besucht werden. Dank dieser Missionen haben wir nun ein Bild der grundlegenden Eigenschaften dieser kosmischen Zeitkapseln. Während einige Fragen so beantwortet werden konnten, wurden wiederum andere neu aufgeworfen.
Kometen sind bekanntermaßen eine Mischung aus Staub und Eis. Wären sie vollständig kompakt, würden sie schwerer sein als Wasser. Frühere Messungen haben allerdings gezeigt, dass einige Kometen eine sehr geringe Dichte aufweisen - wesentlich geringer als die von Eis aus Wasser. Diese geringe Dichte impliziert, dass Kometen extrem porös sein müssten.
Aber stammt diese Porosität von großen, leeren Hohlräumen im Kometeninneren, oder handelt es sich eher um eine homogene Struktur mit geringer Dichte?
In einer neuen Studie, die im Wissenschaftsmagazins „Nature“ erschienen ist, zeigt ein Team um Martin Pätzold vom Rheinischen Institut für Umweltforschung an der Universität zu Köln, dass der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ebenfalls ein solches Objekt mit geringer Dichte ist. Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler aber größere Hohlräume im Inneren ausschließen.
Diese Feststellung entspricht früheren Ergebnissen aus Rosettas CONSERT-Radar-Experiment, bei dem nachgewiesen wurde, dass der doppellappige 'Kopf' des Kometen im Bereich einiger zehn Meter relativ homogen ist.
Die sinnvollste Erklärung ist demnach, dass es sich bei der Porosität des Kometen um eine inhärente Eigenschaft der Partikelmischung von Staub und Eis handeln muss, aus der der Kometenkern besteht. Tatsächlich haben frühere Messungen von Raumfahrzeugen gezeigt, dass Kometenstaub typischerweise nicht kompakt verpresst ist, sondern dass es sich eher um ein ‘flockiges’ Gemenge handelt, wodurch die Staubpartikel eine hohe Porosität und geringe Dichte erhalten. Rosettas COSIMA- und GIADA-Instrumente haben nachgewiesen, dass dieselbe Art von Staubkörnern auch auf 67P/Tschurjumow-Gerassimenko vorliegt.
Pätzolds Team erhielt seine Erkenntnisse mit Hilfe des Radio Science Experiment (RSI), um zu untersuchen, wie der Rosetta Orbiter von der Schwerkraft der Kometenmasse angezogen wird.
Die Auswirkungen der Schwerkraft auf die Bewegungen von Rosetta werden über die Frequenzänderungen der vom Raumfahrzeug gesendeten Signale beim Empfang auf der Erde gemessen. Es handelt sich um eine Erscheinungsform des Doppler-Effekts, der immer bei Bewegungen zwischen einer Bewegungsquelle und einem Beobachter der Bewegung stattfindet. Am bekanntesten ist der Effekt wohl bei Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr oder Polizei mit Martinshorn, wenn sich beim Vorbeifahren die Tonlage ändert.
In unserem Fall wurde Rosetta von der Schwerkraft des Kometen angezogen, wodurch sich die Frequenz der Funkverbindung zur Erde änderte. Für die Kommunikation bei Routineoperationen wird die 35-Meter-Antenne der ESA an der New Norcia Bodenstation in Australien eingesetzt. Die Signaländerungen beim Empfang wurden analysiert, um ein Bild vom Schwerkraftfeld um den Kometen zu erhalten. Große Hohlräume im Innenraum hätten sich durch eine merkliche Verringerung der Beschleunigung bemerkbar gemacht.
Diese komplizierten Messungen wurden bei der Rosetta-Mission der ESA zum ersten Mal an einem Kometen durchgeführt.
“Das Newtonsche Schwerkraftgesetz sagt uns, dass Rosetta eigentlich von allem angezogen wird”, erzählt Martin Pätzold, der wissenschaftliche Leiter des RSI-Experiments.
“Praktisch gesehen bedeutet das, dass wir den Einfluss der Sonne, aller Planeten – vom riesigen Jupiter bis zu den Zwergplaneten – und auch der großen Asteroiden im inneren Asteroidengürtel auf die Bewegungen von Rosetta entfernen mussten, um schließlich den reinen Schwerkrafteinfluss des Kometen zu erhalten. Glücklicherweise sind diese Auswirkungen gut bekannt, und es handelt sich um ein Standardverfahren in der heutigen Raumfahrt.”
Als nächstes müssen auch der Druck der Sonneneinstrahlung und des aus dem Kometenschweif austretenden Gases gestrichen werden. Beide Effekte 'blasen' das Raumfahrzeug vom Kurs ab. In diesem Fall ist Rosettas ROSINA-Instrument äußerst hilfreich, da es das ausströmende Gas hinter dem Raumfahrzeug misst. Auf diese Weise konnten Pätzold und seine Kollegen auch diese Auswirkungen berechnen und ausklammern.
Die verbleibende Bewegung geht auf Kosten des Kometen. Für den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ergibt sich somit eine Masse von weniger als 10 Milliarden Tonnen. Bilder der OSIRIS-Kamera wurden verwendet, um Modelle der Form des Kometen zu entwerfen. Diese lassen auf ein Volumen um 18,7 km3 schließen. Das bedeutet, dass seine Dichte bei 533 kg/m3 liegt.
Die Ableitung der Details zum Kometeninneren war nur durch ein Stückchen kosmisches Glück möglich.
Aufgrund fehlender Kenntnisse der Kometenaktivitäten wurde ursprünglich eine vorsichtige Annäherungsflugbahn geplant, um die Sicherheit des Raumfahrzeugs zu gewährleisten. Selbst im optimalsten Szenario würde Rosetta sich nie mehr als 10 Kilometer an den Kometen annähern.
Leider hat das RSI-Team vor 2014 vorhergesagt, dass eine Annäherung unter 10 Kilometer erforderlich sei, um eine Messung der Masseverteilung im Kometeninneren durchzuführen. Diese Annahme basierte auf den von der Erde aus gemachten Beobachtungen, die darauf schließen ließen, dass der Komet rund sei. Bei 10 Kilometer und mehr ist jedoch lediglich eine Messung der Gesamtmasse möglich.
Dann wurde bei der Annäherung von Rosetta an den Kometen dessen seltsame Form erkannt. Für RSI bedeutete die unerwartete Form des Kometen mit seinen zwei Hauptteilen, dass die Unterschiede im Schwerkraftfeld des Kometen viel deutlicher waren und daher leicht aus größerer Entfernung zu messen sein würden.
“Wir konnten die Unterschiede im Schwerkraftfeld bereits aus einer Entfernung von 30 Kilometer erkennen”, erzählt Pätzold.
Als Rosetta einen 10-Kilometer-Orbit erreichte, konnte das RSI-Team detailliertere Messungen vornehmen. Dadurch hatten sie großes Vertrauen in ihre Ergebnisse, und es konnte anschließend nur noch besser werden.
Im September soll Rosetta kontrolliert auf der Kometenoberfläche landen. Das Manöver ist eine einmalige Herausforderung für die Experten der Flugdynamik im European Space Operations Centre (ESOC) der ESA in Darmstadt. Die ständige Annäherung von Rosetta macht die Navigation aufgrund des komplexen Schwerkraftfelds immer schwieriger. Aber für das RSI-Team bedeutet dies, dass die Messungen immer präziser werden. Auf diese Weise kann das Team aus der Nähe nach Hohlräumen suchen.
ESA - Europäische Raumfahrtorganisation
Die ESA (European Space Agency) ist die europäische Raumfahrtorganisation.Sie bündelt Finanzmittel und Know-How der 21 Mitgliedsstaaten, um Projekte umzusetzen, die für einzelne Staaten nicht realisierbar wären.
Webseite: http://www.esa.de