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Drei Hüpfer in drei Asteroidentagen: Lander MASCOT schließt erfolgreich die Erkundung der Oberfläche des Asteroiden Ryugu ab

Geschrieben am 05.10.2018 in Kategorie: Mission "Hayabusa 2" mit Lander "MASCOT"

Es war ein Tag mit vielen aufregenden Momenten und einem erfolgreichen Team aus Wissenschaftlern und Ingenieuren: Am späten Abend des 3. Oktober 2018 schloss der Lander MASCOT um 21:04 Uhr MESZ seine historische Erkundung auf der Oberfläche des Asteroiden Ryugu ab, nachdem die Batterieleistung an Bord zur Neige ging. Ursprünglich war der Betrieb nach der Abtrennung von der japanischen Muttersonde Hayabusa2 für 16 Stunden vorgesehen. Am Ende wurden es sogar mehr als 17 Stunden. Nach dem Aufsetzen am Morgen und Positionswechseln mittels des eingebauten Schwungarms haben alle Instrumente ausführlich Daten über die Zusammensetzung und Beschaffenheit des Asteroiden gesammelt. Die Kamera lieferte Bilder vom Absinken, von den Hüpfmanövern und verschiedenen Positionen auf der Oberfläche.

Dabei ging für MASCOT dreimal die Sonne auf und wieder unter im schnellen Wechsel von Tag und Nacht auf Ryugu. Im MASCOT-Kontrollraum am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln wurde der Lander in Anwesenheit von Wissenschaftlerteams aus Japan, Frankreich und Deutschland kommandiert und gesteuert. Alle wissenschaftlichen Daten konnten nach Plan zur Muttersonde übertragen werden.

"Erstmals ist es damit gelungen, die Oberfläche eines Asteroiden in diesem Umfang mit einer Landesonde zu erkunden", sagt Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und -technologie. "Eine Mission wie diese kann nur gemeinsam mit internationalen Partnern durchgeführt werden - wenn alle ihre Expertise und ihr Engagement einbringen." Das DLR arbeitet bei MASCOT eng mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA und der französischen Raumfahrtagentur CNES zusammen.

Sprünge und ein "Mini-Move"

MASCOT landete sicher am frühen Morgen des 3. Oktober 2018. "Anfänglich war er nach einem ersten automatischen Korrektur-Hüpfer in einer ungünstigen Lage. Mit einem weiteren manuell kommandierten Hüpfmanöver konnten wir MASCOT dank des sehr präzise ansteuerbaren Schwungarms in eine günstige Position manövrieren", sagt der MASCOT-Operationsmanager Christian Krause vom DLR. Dort absolvierte MASCOT einen vollständigen Messzyklus aller Instrumente über einen Asteroidentag und eine Asteroidennacht  hinweg. Ein Tag-Nacht-Zyklus auf Ryugu entspricht rund 7 Stunden und 36 Minuten. "Anschließend konnten wir die Aktivitäten auf Ryugu mit einem besonderen Manöver fortsetzen", ergänzt Prof. Ralf Jaumann, DLR-Planetenforscher und wissenschaftlicher Leiter von MASCOT. "Mit einem 'Mini-Move' waren wir in der Lage, Bildsequenzen aufzunehmen, aus denen sich später in der Auswertung Stereo-Bilder der Oberfläche generieren lassen." 

Bei den ersten Manövern bewegte sich MASCOT jeweils einige Meter bis zur nächsten Messstelle. Zum Abschluss wagten die Forscher noch einen größeren Hüpfer. Insgesamt hat MASCOT auf Ryugu drei Asteroidentage und zwei Asteroidennächte hindurch kontinuierlich seine Arbeit verrichtet. Um 21:04 Uhr MESZ wurde schließlich die Kommunikation mit Hayabusa2 wegen des mit jedem Asteroidenumlauf eintretenden Funkschattens unterbrochen. Hayabusa2 kehrt nun in eine Höhe von 20 Kilometern über der Oberfläche des Asteroiden zurück in seine Ausgangsposition.

Neben den Bildern der DLR-Kamera MASCAM lieferten ein Radiometer des DLR, ein Magnetometer der TU Braunschweig sowie ein Spektrometer des Institut d’Astrophysique Spatiale vielfältige Messungen zu Temperaturen, magnetischen Eigenschaften und zur Zusammensetzung des erdnahen Asteroiden Ryugu.

Warten auf die wissenschaftlichen Daten

MASCOT bleibt nun als stiller Begleiter auf Ryugu zurück. "Die Auswertung der reichhaltigen Daten hat gerade erst begonnen", sagt MASCOT-Projektmanagerin Dr. Tra-Mi Ho vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Wir werden viel über die Vergangenheit des Sonnensystems und die Bedeutung erdnaher Asteroiden wie Ryugu lernen. Ich bin heute schon gespannt auf die wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die wir dank MASCOT und der bemerkenswerten Hayabusa2-Mission unserer japanischen Partner sehen werden." Hayabusa2 spielte eine entscheidende Rolle für den Erfolg von MASCOT. Sicher brachte die japanische Sonde den Lander bis zum Asteroiden. Dank präziser Planung und Steuerung konnten die Kommunikationsverbindungen zum Lander optimal für die Datenübertragung genutzt werden, sodass es sogar möglich war bereits, am Tag der Landung erste Bilder zu empfangen. In den nächsten Tagen werden alle weiteren wissenschaftlichen Daten von MASCOT zur Erde übertragen.

Über die Mission Hayabusa2 und MASCOT

Hayabusa2 ist eine Weltraummission der japanischen Raumfahrtagentur JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) zum erdnahen Asteroiden Ryugu. Der deutsch-französische Lander MASCOT an Bord von Hayabusa2 wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und gebaut in enger Kooperation mit der französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre National d'Etudes Spatiales). Die wissenschaftlichen Experimente an Bord von MASCOT sind Beiträge des DLR, des Institut d'Astrophysique Spatiale und der Technischen Universität Braunschweig. Betrieb und Steuerung des MASCOT-Landers und seiner Experimente erfolgen durch das DLR mit Unterstützung der CNES und in kontinuierlichem Austausch mit der JAXA.

Das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen entwickelte federführend zusammen mit CNES den Lander und testete ihn. Das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig war für die stabile Struktur des Landers zuständig. Das DLR Robotik und Mechatronik Zentrum in Oberpfaffenhofen entwickelte den Schwungarm, der MASCOT auf dem Asteroiden hüpfen lässt, und passt dessen Bewegungen mithilfe der neuesten Messungen von Hayabusa2 an die Eigenschaften von Ryugu an. Das DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin steuerte die Kamera MASCAM und das Radiometer MARA bei. Überwacht und betrieben wird der Asteroidenlander aus dem MASCOT-Kontrollzentrum im Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) am DLR-Standort Köln.

Quelle

DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.

Webseite: http://www.dlr.de

Erntedank! - MASCOT funktionierte länger und lieferte mehr Daten als erwartet
Ab dem Abend des 2. Oktober 2018 herrschte im MASCOT-Kontrollzentrum am DLR-Standort Köln für 24 Stunden absolute Hochspannung: Schon vor dem mit Jubel begleiteten Abtrennen des deutsch-französischen Landemoduls am 3. Oktober 2018 um 3.58 Uhr MESZ von der japanischen Forschungssonde Hayabusa2 über die Landung auf dem Asteroiden Ryugu sechs Minuten später und dem Ende der Mission um 21.04 Uhr MESZ begleiteten etwa 40 Wissenschaftler das Geschehen in 300 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde. MASCOT erfüllte die Erwartungen - und übertraf sie sogar, denn die Batterien lieferten mehr Strom als geplant, sodass mit 17 Stunden Betriebszeit eine Stunde extra für die Messungen als Bonus möglich wurden. Alle vier Experimente an Bord konnten weit mehr als die geplanten Messungen und Aufnahmen durchführen. Das Bild zeigt im Vordergrund MASCOT Projektmanagerin Dr. Tra-Mi Ho vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme aus Bremen im Kölner Kontrollraum des DLR-Nutzerzentrum für Mikrogravitation und Weltraumexperimente: erleichtert über den nahezu reibungslosen Ablauf dieser außergewöhnlichen, so noch nie in der Raumfahrt durchgeführten Mission. Im Hintergrund stellt Prof. Ralf Jaumann, wissenschaftlicher Leiter von MASCOT, einige der 120 Bilder, die mit der DLR-Kamera MASCAM aus dem Berliner DLR-Institut für Planetenforschung aufgenommen wurden, im Schnelldurchlauf vor.
© DLR
MASCOT beim Anflug auf Ryugu
Hayabusa2 gelangen Aufnahmen von MASCOT beim Anflug auf Ryugu. Drei aufeinanderfolgende Bilder, aufgenommen am 3. Oktober 2018 zwischen 3:57:54 und 3:58:14 MESZ mit einer optischen Weitwinkel-Navigationskamera (ONC-W2). MASCOT erscheint auf der oberen Seite des Bildes.
Bild 1: 3:57:54
Bild 2: 3:58:04
Bild 3: 3:58:14
© JAXA, Tokyo Universität, Kochi Univ., Rikkyo Univ., Nagoya Univ., Chiba Institut für Technologie, Meiji Univ., Aizu Univ., AIST
Ryugus Oberfläche - kurz vor dem ersten Kontakt von MASCOT
20 Aufnahmen machte die DLR-Kamera MASCAM nach dem Abtrennen von MASCOT in 51 Metern Höhe über der Oberfläche von Ryugu während des zwanzigminütigen Absinkens auf die Asteroidenoberfläche. Dieses Bild zeigt die Landschaft nahe des ersten Auftreffens auf Ryugu aus einer Höhe von etwa 25 bis 10 Metern. Durch das Gegenlicht der von außerhalb des hier gezeigten Bildausschnitts auf Ryugu scheinenden Sonne kommt es zu Lichtreflexen an der Rahmenstruktur oder dem Kameragehäuse, die ins Sichtfeld der MASCAM streuen (rechts unten).
Ryugu hat eine grob strukturierte, extrem dunkle Oberfläche, die nur etwa zweieinhalb Prozent des Sonnenlichts reflektiert: Das hier sichtbare raue, zerklüftete Gebiet ist etwa so dunkel wie ein Straßenbelag. Dass in den MASCAM-Aufnahmen dennoch Einzelheiten der Geländestrukturen zu erkennen sind liegt an den lichtempfindlichen Halbleiterelementen des 1000 mal 1000 Pixel großen Kamerasensors in CMOS-Ausführung (Complementary Metal-Oxide Semiconductor), dessen Dynamik selbst schwächste Lichtsignale verstärkt und wissenschaftlich nutzbare Bilddaten liefert.
© MASCOT / DLR / JAXA
Die Oberfläche Ryugus aus wenigen Metern Entfernung aufgenommen
Die etwa 20 Bilder, die mit der Kamera MASCAM auf dem MASCOT-Lander während des Abstiegs aufgenommen wurden, zeigen eine extrem zerklüftete, von zahlreichen kantigen Gesteinsbrocken übersäte Oberfläche. Ryugu, ein viereinhalb Milliarden Jahre alter erdbahnkreuzender Asteroid der kohlenstoffreichen C-Klasse, zeigt den Wissenschaftlern ein Antlitz, das sie so nicht erwartet hatten, obwohl schon mehr als ein Dutzend Asteroiden von Raumsonden aus der Nähe erkundet wurden. Auf dieser Nahaufnahme sind keinerlei Flächen zu sehen, die von Staub bedeckt sind, dem Regolith, der durch die Zertrümmerung von Gestein infolge der Ausgesetztheit gegenüber Mikrometeoriten und energiereicher kosmischer Partikel über Milliarden von Jahren entsteht. Das Bild aus dem turbulent sich drehenden MASCOT-Lander entstand aus einer Höhe von etwa zehn bis zwanzig Metern.
© MASCOT / DLR / JAXA