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Ein "durchtrennter" Krater in Memnonia Fossae

Geschrieben am 28.04.2016 in Kategorie: Mission "Mars Express"

Diese Aufnahmen der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen, hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der europäischen Raumsonde Mars Express zeigen einen Teil der Region Memnonia Fossae auf dem Mars. Dieses Netz von Grabenbrüchen befindet sich westlich der Vulkanregion Tharsis und nördlich von Sirenum Fossae - ebenfalls ein großes System von Rissen und Brüchen wie die Memnonia Fossae.

Sie alle sind das Ergebnis von tektonischen Spannungen in der Marskruste und erstrecken sich über 1600 Kilometer weit in ost-westlicher Richtung. Sie sind sehr wahrscheinlich durch das Aufwölben der Tharsis-Vulkanregion entstanden. Benannt wurden die "Gräben von Memnonia" nach einer Tempelanlage im altägyptischen Theben.

Auf den HRSC-Bildern ist ein sehr markanter Graben zu erkennen, der einen uralten, an den Rändern schon sehr stark erodierten Einschlagskrater durchschneidet. Der Krater durchmisst 52 Kilometer, der Graben, der durch diesen noch namenlose Krater verläuft, ist 1,5 Kilometer breit. Jeweils im Norden und Süden des Kraters sind weitere Gräben zu sehen, die teilweise wie durchgetrennt erscheinen und sich dann mit einem seitlichen Versatz fortsetzen. Entstanden sind diese Gräben durch Dehnungsspannungen in der Marskruste.

Marskruste unter Spannung

Wie ein mächtiger, vier bis fünf Kilometer nach oben gewölbter Schild von der Größe Europas erhebt sich die Region Tharsis auf dem Mars. Einige der größten Vulkane des Sonnensystems befinden sich hier. Dazu gehören der Olympus Mons (24 Kilometer Höhe) oder die drei Tharsis-Vulkane Ascraeus (18 Kilometer), Pavonis (12 Kilometer) und Arsia (14 Kilometer). Die genauen Ursachen für diese Aufwölbung sind noch nicht bekannt. Als sehr wahrscheinlich gilt aber, dass riesige, aus dem Marsmantel gespeiste Magmablasen über Milliarden von Jahren hier wie ein Stempel von unten gegen die Kruste drückten. Aus den Vulkankegeln und -spalten ergossen sich dünnflüssige Lavaströme über das Gebiet und fügten über große Flächen Lage um Lage vulkanischen Gesteins hinzu.

Das hohe Gewicht dieser zusätzlichen Lagen an schwerem, eisenreichem vulkanischen Gestein auf der Oberfläche führte zu einem immensen Druck. Gleichzeitig erzeugten die aus dem Marsmantel nach oben steigenden Magmablasen Druck von unten. Die Marskruste war in der Tharsis-Region dadurch massiven Dehnungsspannungen ausgesetzt. Dies zeigt sich in zahlreichen tektonischen Rissen, Brüchen und Spalten auf dem nach oben gewölbten Tharsis-Schild sowie in den Randzonen und in der Peripherie dieses Gebiets (siehe auch die Bildveröffentlichung zu Phoenicis Lacus). Die meisten dieser Bruchzonen breiten sich sternförmig von der Tharsis-Region aus und durchschneiden das alte südliche Marshochland.

Mehr über den Vulkanismus auf dem Mars:

Durch diese Form der Dehnungsspannung entsteht mancherorts ein für tektonisch beanspruchte Gebiete typisches Landschaftsmuster, das in der Geologie als "Horst- und Grabenstruktur" bezeichnet wird. Durch die Dehnung der Kruste sacken große Geländeblöcke zwischen zwei geradlinig verlaufenden Bruchlinien mehrere hundert oder sogar über tausend Meter in die Tiefe und bilden den tektonischen Graben, der seitlich von den stehen gebliebenen Horsten begrenzt wird.

Vulkanismus und Winderosion prägen das heutige Landschaftsbild

Auffallend sind auch einige markante Tafelberge, die mehrere hundert Meter aus dem ebenen Kratergrund herausragen. Die größeren von ihnen haben Durchmesser von bis zu 2,5 Kilometern. Ihre Anordnung erinnert ein wenig an viele andere sogenannte "Chaotische Gebiete" (engl. chaotic terrain) auf dem Mars, Regionen, die von intensiver Erosion geprägt sind. Dieses kleine chaotische Gebiet scheint jedoch durch ein erneutes Auffüllen des Kraters mit Lava, die wahrscheinlich aus dem tiefreichenden Riss stammte, stabilisiert und damit vor weiterer Verwitterung bewahrt worden zu sein.

Andererseits sprechen die vielen durch Winderosion erzeugten Windgassen, auch Yardangs genannt, die sich auf dem glatten Boden zwischen den Tafelbergen und um den Graben herum befinden (ganz besonders im westlichen Teil des Kraterbodens) für ein weniger erosionsbeständiges Material, das den Krater einst anfüllte. In Betracht käme hier Material, das der Wind eingetragen hat, wie Sand und Staub, oder Sedimente, die im Wasser als Sedimentfracht hierher transportiert und abgelagert wurden.

Mehr über Yardangs:

Bildverarbeitung

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 1. August 2015 während Orbit 14.689 von Mars Express. Das Gebiet befindet sich bei 22 Grad südlicher Breite und 197 Grad östlicher Länge. Die Bildauflösung beträgt etwa 14 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Farbdraufsicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 2) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 3), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Draufsicht (Bild 5) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

Das HRSC-Experiment

Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die hier gezeigten Darstellungen wurden von der Planetary Sciences Group an der Freien Universität Berlin erstellt.

Quelle

DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.

Webseite: http://www.dlr.de

Senkrechte Draufsicht auf einen Krater in Memnonia Fossae
Memnonia Fossae befindet sich westlich der ausgedehnten Tharsis-Aufwölbung im Marshochland. Typisch für diese Region sind stark erodierte, sehr alte Einschlagsstrukturen wie dieser etwa 52 Kilometer große, namenlose Krater. Infolge der Dehnungsspannungen in der Marskruste bildeten sich dort zahlreiche, in ost-westlicher Richtung verlaufende tektonische Brüche - ein etwa anderthalb Kilometer großer Grabenbruch erstreckt sich mitten durch den Krater, begleitet von weiteren Störungen im angrenzenden Marshochland.
© ESA / DLR / FU Berlin - CC BY-SA 3.0 IGO
3D-Bild einer tektonischen Störungszone in Memnonia Fossae
Aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal des vom DLR betriebenen Kamerasystems HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express und einem der vier schrägblickenden Stereokanäle lassen sich sogenannte Anaglyphenbilder erzeugen. Sie ermöglichen bei der Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen realistischen, dreidimensionalen Blick auf die Landschaft. Die räumliche Betrachtung lässt die allesamt in ost-westlicher Richtung (Norden ist aus technischen Gründen rechts) verlaufenden Gräben und ihre Umgebung plastisch hervortreten. Auch die Überbleibsel einiger Terrassen im schon stark erodierten Rand des namenlosen, etwa 52 Kilometer großen Kraters werden dadurch sichtbar. Nahe des rechten Bildrandes befindet sich eine auffallende Aneinanderreihung dreier kreisrunder Krater - dabei handelt es sich vermutlich um Sekundärkrater: Sie entstehen, wenn beim Einschlag eines Asteroiden, der zu einem großen "primären" Krater führt, das ausgeworfene Material unmittelbar danach in dessen Umgebung einschlägt. In kurzem Abstand hintereinander her fliegende große Brocken schlagen dann radial zum Kraterrand ein und bilden solche typischen Kraterketten.
© ESA / DLR / FU Berlin - CC BY-SA 3.0 IGO
Perspektivische Ansicht einer Störungszone in Memnonia Fossae
Der mit einem digitalen Geländemodell simulierte perspektivische Blick aus Osten in Richtung Westen über Memnonia Fossae zeigt, wie der ältere Krater von einer 1,5 Kilometer breiten Störungszone durchlaufen wird. Im Prozess der Dehnung sackte dabei das Gelände in diesem tektonischen Graben mehrere hundert Meter ab. Einzelne aus der Kraterebene herausragende Tafelberge zeigen das ursprüngliche Niveau der im Krater abgelagerten Sedimente an, möglicherweise wurde der Krater zu einem späteren Zeitpunkt aus der Störungsspalte von dünnflüssiger Lava geflutet, so dass die Tafelberge vor ihrer endgültigen Erosion umströmt und so stabilisiert wurden. Der namenlose Krater hat einen Durchmesser von 52 Kilometer.
© ESA / DLR / FU Berlin - CC BY-SA 3.0 IGO
Topographische Übersichtskarte von Memnonia Fossae
Die hier vorgestellten Aufnahmen der DLR-Kamera HRSC auf der europäischen Raumsonde Mars Express zeigen einen Teil der Region Memnonia Fossae auf dem Mars, der "Gräben von Memnonia". Sie sind benannt nach einer Tempelanlage im altägyptischen Theben. Dort, westlich der Vulkanregion Tharsis, befindet sich im Marshochland ein Netz von Grabenbrüchen. Sie sind das Ergebnis von tektonischen Spannungen in der Marskruste und erstrecken sich über 1600 Kilometer weit in ost-westlicher Richtung. Sie sind sehr wahrscheinlich durch das Aufwölben der im Osten angrenzenden Tharsis-Vulkanregion entstanden.
© NASA/JPL (MOLA); FU Berlin
Falschfarbendarstellung der Topographie in Memnonia Fossae
Aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den schrägblickenden Stereokanälen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) auf Mars Express lassen sich digitale Geländemodelle der Marsoberfläche mit einer Genauigkeit von bis zu zehn Metern pro Bildpunkt (Pixel) ableiten. In dieser farbkodierten Darstellung (Auflösung beträgt 14 Meter pro Bildpunkt) können die absoluten Höhen über einem Bezugsniveau, dem Areoiden (vom griechischen Wort für den Mars, Ares) dargestellt werden. Anhand der Farbskala oben rechts im Bild wird deutlich, dass das Innere des 52 Kilometer großen Kraters in der Bildmitte etwa 1400 bis 1700 Meter tiefer liegt als der schon stark erodierte Kraterrand im umgebenden Marshochland. Auch die Dimension der tektonischen Dehnungsbrüche lässt sich an den 200 bis 400 Meter tiefen, geradlinig verlaufenden Gräben ablesen. Geologen können mit Messungen der Absenkung von Geländeblöcken an solchen Strukturen die Dehnungsspannung, den tektonischen "Stress", in der Region berechnen.
© ESA / DLR / FU Berlin - CC BY-SA 3.0 IGO