Geschrieben am 18.10.2018 in Kategorie: Programm REXUS/BEXUS
Sie nennen sich OSCAR Q-LITE, TUBULAR, und IMUFUSION und LODESTAR: Drei Experimente von Studierenden aus mehreren europäischen Ländern sind am 17. Oktober 2018, um 7.44 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit mit dem Stratosphärenballon BEXUS 26 vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna gestartet. Der Forschungsballon erreichte während seines Fluges eine maximale Höhe von rund 27 Kilometern. Am 18. Oktober startete BEXUS 27 mit vier weiteren Experimenten. Drei der insgesamt sieben Studententeams der BEXUS-Mission des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Schwedischen Raumfahrtbehörde SNSA stammen von deutschen Hochschulen.
Bei dem Experiment IMUFUSION der Hochschule Nordhausen spielt die Verwendung von spezieller Sensorik eine entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um eine extrem zuverlässige Elektronikbaugruppe, die permanent Sensordaten erfasst und abspeichert. Gemessen werden zum Beispiel Winkelgeschwindigkeit, Beschleunigung, Luftdruck, Temperatur, Magnetfeld und Position. Anschließend werden die Navigations- und Klimadaten zu einem Flugprofil vereint. Die ausgewerteten Daten ermöglichen dann selbst bei Ausfall des GPS-Systems eine sehr genaue Berechnung der Flugbahn. Eine große Herausforderung sind die Fusion und Prozessierung der Sensordaten in Echtzeit bei extremen Bedingungen, wie den niedrigen Außentemperaturen von bis zu minus 80 Grad Celsius und dem geringen Luftdruck in großer Höhe. Die Konstruktion soll zukünftig Anwendung bei der Navigation von Flugzeugen, aber auch von Schiffen finden.
Studierende der Universität Hasselt in Belgien haben mit OSCAR Q-LITE (Optical Sensors based on CARbon materials: Quantum Lightweight ITEration) ein extrem sensitives, Diamant-basiertes Magnetometer entwickelt und getestet, das eine sehr genaue Navigation in der Luft- und Raumfahrt ermöglicht. Die Vorzüge von OSCAR Q-LITE sind seine kompakte Bauweise, das geringe Gewicht und die extrem hohe Präzision. Die Sensoreinheit kann als dreidimensionaler Magnetkompass verwendet werden.
Um Atmosphärenforschung geht es bei dem Experiment TUBULAR vom Team der Technischen Universität Luleå. Das Team testete einen Technologiedemonstrator zum Einsammeln von Luftproben in der oberen Tropo- und unteren Stratosphäre. Die schwedische Entwicklung ist in der Lage, während des Fluges kontinuierlich Proben zu nehmen, ohne sie zu vermischen. Die Untersuchung der Treibhausgase Kohlenstoffdioxid, Methan und Kohlenstoffmonoxid soll dabei helfen, die Prozesse von Treibhauseffekt und die Klimaerwärmung besser zu verstehen.
BEXUS 27 stieg mit einem anderen wissenschaftlichen Fokus in die Stratosphäre auf. Die vier Experimente an Bord befassten sich mit der Suche nach Leben in der Atmosphäre und der Vermessung von Erde und Stratosphäre.
Das Team WHB (Die Wirkung der Höhenlage auf Bakteriensporen) der FH Aachen will in der Stratosphäre der Polarregion nach mikrobiellen Lebensformen suchen. Die Diversität der mikrobiellen Fauna in der Stratosphäre, vor allem in den Polarregionen, ist nahezu unbekannt. Die besonderen Bedingungen mit veränderter UV-Strahlung in den nördlichen Breitengeraden machen diese arktische Region einzigartig. Mithilfe einer speziellen Experimentvorrichtung sollen in einer Höhe von etwa 30 Kilometer Mikroben eingesammelt werden. Die große Herausforderung dabei ist es, die Proben sauber einzusammeln, ohne dass diese kontaminiert werden. Die Proben werden anschließend im Labor untersucht. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Polarregion als Lebensraum sowie den Einfluss extremer Umgebungen auf Mikroben besser zu verstehen.
QUEST (Quad-spectral Unaided Experimental Scanner of Topography) nennt sich das Experiment, das an der Universität Würzburg entstanden ist. Mit ihrer Konstruktion wollen die Studentinnen und Studenten einen Beitrag zur satellitengestützten Erdbeobachtung leisten. Spezielle Sensoren sollen dabei die Oberflächenstruktur der Erde autonom untersuchen. Mit Hilfe von Sensordaten und Kameramessungen werden Übersichtsbilder der Erdoberfläche erstellt, bei denen zwischen Schnee, Wasser, Pflanzen, Gestein und Wolken eigenständig unterschieden wird. Dafür hat das Team einen Algorithmus entwickelt, der wiederverwendet und sogar angepasst werden kann, um zukünftig als Teil eines autonomen Systems bei interplanetaren Missionen zum Einsatz zu kommen.
Das schwedische Team LODESTAR (high aLtitude experiment On cosmic raDiation inducEd defectS in CIGS solar cells wiTh high precision meAsuRements) der Universität Uppsala untersucht den Einfluss kosmischer Strahlung auf spezielle Solarzellen (CIGS-Solarzellen), die bei geringer Masse eine große Energieausbeute erzielen. Diese Zellen sind daher sehr interessant für die Weltraumanwendung.
Das Experiment des Teams LUSTRO (Light and Ultraviolet Strato- and Tropospheric Radiation Observer) von der Technischen Universität Warschau beabsichtigt, während des Ballonflugs die ultravioletten Strahlungsmuster in der Troposphäre und unteren Stratosphäre zu untersuchen. Die Messung der erhöhten UV-Strahlung in der Stratosphäre von Satelliten und Bodenstationen aus ist auf kleine Bereiche beschränkt. Das Experiment ergänzt solche Messwerte mit weiteren Daten, um die Reflektion und Absorption der UV-Strahlung durch die Atmosphäre zu bestimmen. Die Studierenden haben hierfür ein kostengünstiges Gerät entwickelt, das zukünftig auch auf Satelliten Anwendung finden kann.
Das deutsch-schwedische Programm BEXUS (Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) ermöglicht es Studierenden, Forschungsvorhaben unter Weltraumbedingungen zu konzipieren, zu bauen und während eines Fluges mit einem Höhenballon zu erproben. Das DLR Raumfahrtmanagement in Bonn sowie die Europäische Weltraumorganisation ESA und das Swedish National Space Agency SNSA schreiben den Wettbewerb jedes Jahr aufs Neue aus. Die nächsten BEXUS-Stratosphärenballone werden im Herbst 2019 aufsteigen.
Jeweils die Hälfte der Ballon-Nutzlasten steht für Experimente von Studierenden deutscher Universitäten und Hochschulen zur Verfügung. Die schwedische Raumfahrtagentur SNSA hat ihren Anteil auch für Studierende der übrigen ESA-Mitgliedsstaaten geöffnet. Die deutschen Studententeams erhalten technische und logistische Unterstützung vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnik und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen. Die Flüge werden von EuroLaunch, einem Joint Venture der Mobilen Raketenbasis des DLR (MoRaBa) und dem Esrange Space Center des schwedischen Raumfahrtunternehmens SSC, durchgeführt.
DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.
Webseite: http://www.dlr.de