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VLT macht den präzisesten Test von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie außerhalb der Milchstraße

Geschrieben am 21.06.2018 in Kategorie: Astronomie

Astronomen haben mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile und dem NASA/ESA Hubble Space Telescope den bisher genauesten Test von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie außerhalb der Milchstraße durchgeführt: Die nahegelegene Galaxie ESO 325-G004 wirkt wie eine starke Gravitationslinse, die das Licht einer fernen Galaxie dahinter verzerrt und einen Einsteinring um ihr Zentrum bildet. Durch den Vergleich der Masse von ESO 325-G004 mit der Krümmung des Weltraums um ihn herum fanden die Astronomen heraus, dass sich die Gravitation auf diesen astronomischen Längenskalen wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt verhält. Das schließt einige alternative Theorien der Schwerkraft aus.

Ein Astronomenteam um Thomas Collett von der Universität Portsmouth in Großbritannien hat mit dem MUSE-Instrumentam VLT der ESO zunächst die Masse des ESO 325-G004 bestimmt, indem man die Bewegung der Sterne in dieser nahegelegenen elliptischen Galaxie vermessen hat.

Collett erklärt: "Wir haben zum einen anhand von Daten vom Very Large Telescope in Chile ermittelt, wie schnell sich die Sterne in ESO 325-G004 bewegen - so können wir die Masse der Galaxie ableiten, die diese Sterne auf ihrer Umlaufbahn halten muss."

Aber das Team war auch in der Lage, einen anderen Schwerkraft-Aspekt zu messen: Mit dem NASA/ESA Hubble Space Telescope beobachteten sie einen Einsteinring, der durch das Licht einer fernen Galaxie entsteht, das durch die dazwischenliegende ESO 325-G004 verzerrt wird. Durch die genaue Beobachtung des Rings konnten die Astronomen messen, wie das Licht und damit die Raumzeit durch die riesige Masse von ESO 325-G004 verzerrt wird.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass massebehaftete Objekte die Raumzeit um sich herum krümmen, wodurch das vorbeiziehende Licht abgelenkt wird. Dies führt zu einem Phänomen, das als Gravitationslinseneffektbezeichnet wird. Dieser Effekt ist nur bei sehr masserichen Objekten spürbar. Einige hundert starke Gravitationslinsen sind bekannt, aber die meisten sind zu weit entfernt, um ihre Masse genau zu messen. Die Galaxie ESO 325-G004 ist jedoch eine der nächstgelegenen Linsen, nur 450 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.

Collett fährt fort: "Wir kennen die Masse der Vordergrundgalaxie von MUSE und wir haben die Stärke des Gravitationslinseneffekts mit Hubble gemessen. Wir verglichen dann diese beiden Ansätze, die Stärke der Schwerkraft zu messen - und das Ergebnis war genau das, was die Allgemeine Relativitätstheorie voraussagt, mit einer Unsicherheit von nur 9 Prozent. Dies ist der bisher präziseste Test der Allgemeinen Relativitätstheorie außerhalb der Milchstraße. Und das mit nur einer Galaxie!"

Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde mit exquisiter Genauigkeit auf den Skalen des Sonnensystems getestet und die Bewegung der Sterne im Zentrum der Milchstraße wird detailliert untersucht, aber bislang gab es keine genauen Tests auf noch größeren astronomischen Skalen. Die Prüfung der Langstreckeneigenschaften der Schwerkraft ist entscheidend für die Validierung unseres aktuellen kosmologischen Weltbilds.

Diese Erkenntnisse können wichtige Implikationen für Modelle der Gravitation als Alternative zur Allgemeinen Relativitätstheorie haben. Diese alternativen Theorien sagen voraus, dass die Auswirkungen der Schwerkraft auf die Krümmung der Raumzeit "skalenabhängig" sind. Das bedeutet, dass sich die Schwerkraft über astronomische Längenskalen hinweg anders verhalten sollte als auf den kleineren Skalen des Sonnensystems. Collett und sein Team fanden heraus, dass dies unwahrscheinlich ist, es sei denn, diese Unterschiede treten nur auf Längenskalen auf, die größer als 6000 Lichtjahre sind.

"Das Universum ist schon ein erstaunlicher Ort. Es bietet uns Gravitationslinsen, die wir als unsere Labore nutzen können", fügt Bob Nichol von der Universität Portsmouth hinzu. "Es ist hochgradig befriedigend, wenn wir die besten Teleskope der Welt hernehmen, um Einstein herauszufordern, nur um herauszufinden, wie Recht er hatte."

Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Aufnahme von ESO 325-G004
Ein Bild der nahen Galaxie ESO 325-G004, erstellt mit Daten, die vom NASA/ESA Hubble Space Telescope und dem MUSE-Instrument am VLT gesammelt wurden. MUSE hat die Geschwindigkeit von Sternen in ESO 325-G004 vermessen, um die Geschwindigkeitsdispersionskarte zu erzeugen, die über dem Bild von Hubble liegt. Die Kenntnis der Geschwindigkeiten der Sterne erlaubt es Astronomen, die Masse von ESO 325-G004 abzuleiten. Das Inset zeigt den Einsteinring, der aus der Verzerrung des Lichtes einer weiter entfernten Quelle durch die Zwischenlinse ESO 325-004 resultiert, die nach Subtraktion des Vordergrundlinsenlichtes sichtbar wird.
© ESO, ESA/Hubble, NASA
Schematische Darstellung des Gravitationslinseneffekts ferner Starburstgalaxien
Diese schematische Darstellung zeigt, wie der Lichtweg einer fernen Galaxie im Schwerefeld einer näher gelegenen Vordergrundgalaxie verändert wird, die als Linse fungiert und so die ferne Galaxie heller, aber verzerrt aussehen lässt. Dabei entstehen charakteristische ringförmige Strukturen, die man als Einsteinringe bezeichnet. Die Analyse der Verzerrungen hat ergeben, dass einige der fernen Starburstgalaxien bis zu 40 Billionen (40 Millionen Millionen) mal so hell sind, wie unsere Sonne. Hinzu kommt ein Verstärkungseffekt um einen Faktor von bis zu 22.
© ALMA (ESO / NRAO / NAOJ), L. Calçada (ESO), Y. Hezaveh et al.
Zwei Methoden zur Bestimmung der Masse einer Galaxie
Diese Infografik vergleicht die beiden Methoden zur Bestimmung der Masse der Galaxie ESO 325-G004. Bei der erstem Methode wurden mit dem Very Large Telescope die Geschwindigkeiten von Sternen in ESO 325-G004 gemessen. Bei der zweiten Methode wurde mit dem Hubble-Weltraumteleskop ein Einsteinring beobachtet, der durch Licht aus einer Hintergrundgalaxie verursacht wurde, das von ESO 325-G004 gebogen und verzerrt wurde. Durch den Vergleich dieser beiden Methoden zur Messung der Schwerkraft von ESO 325-G004 wurde festgestellt, dass Einsteins allgemeine Relativitätstheorie auf extragalaktischen Skalen funktioniert – etwas, das bisher nicht getestet wurde.
© ESO, ESA/Hubble, NASA
Der Galaxienhaufen Abell S0740
Dieses Bild vom NASA/ESA Hubble Space Telescope zeigt die vielfältige Ansammlung von Galaxien im Galaxienhaufen Abell S0740, der über 450 Millionen Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbildes Centaurus liegt. Der riesige elliptische ESO 325-G004 befindet sich in der Mitte des Haufens. Hubble löst Tausende von Kugelsternhaufen auf Umlaufbahnen ESO 325-G004 auf. Kugelsternhaufen sind kompakte Gruppen von Hunderttausenden von Sternen, die gravitativ miteinander verbunden sind. In der Entfernung der Galaxie erscheinen sie als Lichtpunkte, die im diffusen Halo enthalten sind. Dieses Bild entstand durch die Kombination der im Januar 2005 aufgenommenen wissenschaftlichen Beobachtungen von Hubble mit den ein Jahr später aufgenommenen Hubble-Heritage-Beobachtungen für ein 3-Farben-Komposit. Die Filter, die blaues, rotes und infrarotes Licht isolieren, wurden mit der Advanced Camera for Surveys an Bord von Hubble verwendet.
© NASA, ESA, and The Hubble Heritage Team (STScI / AURA)