Logo

Seltsames Verhalten eines Sterns offenbart Schwarzes Loch, das sich in riesigem Sternhaufen verbirgt

Geschrieben am 17.01.2018 in Kategorie: Astronomie

Astronomen unter der Leitung von Benjamin Giesers von der Georg-August-Universität Göttingen haben mit dem MUSE-Instrument der ESO am Very Large Telescope in Chile einen Stern in dem Sternhaufen NGC 3201 entdeckt, der sich sehr seltsam verhält. Es scheint ein unsichtbares Schwarzes Loch mit etwa der vierfachen Masse der Sonne zu umkreisen - das erste inaktive Schwarze Loch mit stellarer Masse, das in einem Kugelsternhaufen gefunden wurde, und gleichzeitig auch das erste, das durch den direkten Nachweis seiner Anziehungskraft gefunden wurde. Diese wichtige Entdeckung wirkt sich auf unser Verständnis der Entstehung dieser Sternhaufen, Schwarzer Löcher allgemein und dem Ursprung von Gravitationswellenereignissen aus.

Kugelsternhaufen sind riesige, kugelförmige Ansammlungen von Zehntausenden von Sternen, die die meisten Galaxien umkreisen. Sie gehören zu den ältesten bekannten Sternsystemen im Universum und gehen auf den Beginn des Wachstums und der Evolution von Galaxien zurück. Mehr als 150 Kugelsternhaufen, die zur Milchstraße gehören, sind derzeit bekannt.

Einer dieser Sternhaufen, NGC 3201 im südlichen Sternbild Vela (das Segel des Schiffs Argo), wurde jetzt mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der ESO in Chile näher untersucht. Ein internationales Astronomenteam mit starker deutscher Beteiligung hat festgestellt, dass sich einer der Sterne in NGC 3201 sehr merkwürdig verhält – er wird mit Geschwindigkeiten von mehreren hunderttausend Kilometern pro Stunde hin- und hergeschleudert, wobei sich dieses Muster alle 167 Tage wiederholt.

Erstautor Benjamin Giesers von der Georg-August-Universität Göttingen war von dem Verhalten des Sterns fasziniert: "Er umkreiste etwas vollkommen Unsichtbares, das eine Masse hatte, die mehr als viermal so groß war wie die Sonne – das kann nur ein Schwarzes Loch sein! Das erste Schwarze Loch in einem Kugelsternhaufen übrigens, das sich direkt über seine Anziehungskraft bemerkbar gemacht hat."

Die Beziehung zwischen Schwarzen Löchern und Kugelsternhaufen ist bedeutsam, aber auch geheimnisvoll. Aufgrund ihrer großen Massen und ihres großen Alters geht man davon aus, dass diese Sternhaufen eine große Anzahl von Schwarzen Löchern mit stellaren Massen erzeugt haben – sie sind im Laufe des langen Lebens des Sternhaufens entstanden, immer dann wenn massereiche Sterne explodiert und die Überreste in sich zusammengefallen sind.

Das MUSE-Instrument der ESO bietet Astronomen die einzigartige Möglichkeit, die Bewegungen von Tausenden von weit entfernten Sternen gleichzeitig zu messen. Mit dieser neuen Entdeckung ist es dem Team erstmals gelungen, ein inaktives Schwarzes Loch im Herzen eines Kugelsternhaufens zu entdecken – ein Schwarzes Loch, das sich derzeit keine Materie einverleibt und nicht von einer hell leuchtenden Gasscheibe umgeben ist. Sie konnten die Masse des Schwarzen Lochs durch die Bewegungen eines Sterns ergründen, der durch die enormen Gravitationskraft des Schwarzen Lochs gefangen ist.

Aus den Beobachtungen lässt sich ermitteln, dass der Stern die 0,8-fache der Masse unserer Sonne hat, während sich für die Masse seines mysteriösen Gegenstücks das 4,36-fache der Masse der Sonne ergeben hat - mit ziemlicher Sicherheit also ein Schwarzes Loch.

Kürzlich erfolgte Nachweise von Radio- und Röntgenquellen in Kugelsternhaufen sowie die Detektion von Gravitationswellensignalen, die durch das Zusammenführen von zwei Schwarzen Löchern mit Sternmasse erzeugt wurden, deuten darauf hin, dass diese relativ kleinen Schwarzen Löcher in Kugelsternhaufen häufiger vorkommen könnten als bisher angenommen.

Giesers schlussfolgert: "Bis vor kurzem ging man davon aus, dass fast alle Schwarzen Löcher nach kurzer Zeit aus den Kugelsternhaufen verschwinden würden und dass solche Systeme gar nicht existieren sollten! Aber offensichtlich ist dies nicht der Fall – unsere Entdeckung ist der erste direkte Nachweis der Gravitationswirkung eines Schwarzen Lochs in einem Kugelsternhaufen. Diese Erkenntnis hilft, die Entstehung von Kugelhaufen und die Entwicklung von Schwarzen Löchern und entsprechenden Binärsystemen nachzuvollziehen, was für das Verständnis von Gravitationswellenquellen unerlässlich ist."

Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Künstlerische Darstellung des Binärsystems mit Schwarzem Loch in NGC 3201
Astronomen haben mit dem MUSE-Instrument der ESO am Very Large Telescope in Chile einen Stern in dem Sternhaufen NGC 3201 entdeckt, der sich sehr seltsam verhält. Es scheint ein unsichtbares Schwarzes Loch mit etwa der vierfachen Masse der Sonne zu umkreisen - das erste solche inaktive Schwarze Loch mit stellarer Masse, das in einem Kugelsternhaufen gefunden wurde, und gleichzeitig auch das erste, das durch den direkten Nachweis seiner Anziehungskraft gefunden wurde. Diese wichtige Entdeckung wirkt sich auf unser Verständnis der Entstehung dieser Sternhaufen, Schwarzer Löcher allgemein und dem Ursprung von Gravitationswellenereignissen aus. Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie der Stern und sein massereicher, aber unsichtbarer Begleiter im reichen Herzen des Kugelsternhaufens aussehen könnten.
© ESO / L. Calçada / spaceengine.org
Hubble-Bild des Kugelsternhaufens NGC 3201 (beschriftet)
Dieses Bild vom NASA/ESA Hubble Space Telescope zeigt die zentrale Region des reichhaltigen Kugelsternhaufens NGC 3201 im südlichen Sternbild Vela (das Segel des Schiffs Argo).

Ein Stern, der ein Schwarzes Loch mit der vierfachen Masse der Sonne umkreist, ist mit einem blauen Kreis gekennzeichnet.
© ESA / NASA
Weitwinkelaufnahme der Himmelsregion um den Kugelsternhaufen NGC 3201
Diese Weitwinkelaufnahme zeigt die Himmelsregion um den Kugelsternhaufen NGC 3201 im südlichen Sternbild Vela (das Segel des Schiffs Argo). Neben dem reichhaltigen Haufen selbst, der im Zentrum erscheint, zeigt diese Ansicht auch eine riesige Anzahl von Sternen innerhalb der Milchstraße sowie einige weit entfernte Galaxien. Dieses Bild wurde aus Einzelaufnahmen erstellt, die Teil des Digitized Sky Survey 2 sind.
© Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin
Der Kugelsternhaufen NGC 3201
Farbkomposit des Kugelsternhaufens NGC 3201, aufgenommen mit dem WFI-Instrument am ESO/MPG 2,2-Meter-Teleskop auf La Silla. Kugelsternhaufen sind große Ansammlungen von Sternen, die bis zu Millionen von Sternen enthalten können. Sie gehören zu den ältesten im Universum beobachteten Objekten und wurden vermutlich etwa zur gleichen Zeit wie die Milchstraße gebildet: bereits in den frühen Phasen nach dem Urknall. Dieser besondere Kugelsternhaufen befindet sich etwa 16.000 Lichtjahre entfernt in Richtung des südlichen Sternbilds Vela. Die Daten wurden im Rahmen der ESO Imaging Survey (EIS) aufgenommen, einer öffentlichen Durchmusterung, die von der ESO und ihren Mitgliedsländern in Vorbereitung auf das Erste Licht des VLT durchgeführt wurde.

Das Originalbild und die astronomischen Daten können auf den Webseiten des EIS Pre-Flames Survey abgerufen werden, wo auch viele andere schöne Bilder zur Verfügung stehen.
© ESO
Hubble-Bild des Kugelsternhaufens NGC 3201
Dieses Bild vom NASA/ESA Hubble Space Telescope zeigt die zentrale Region des reichhaltigen Kugelsternhaufens NGC 3201 im südlichen Sternbild Vela (das Segel des Schiffs Argo).

Ein Stern nahe der Bildmitte umkreist ein Schwarzes Loch mit der vierfachen Masse der Sonne.
© ESA / NASA
Der Kugelsternhaufen NGC 3201 im Sternbild Vela (das Segel des Schiffs Argo)
Diese Aufsuchkarte zeigt das reichhaltige südliche Sternbild Vela (das Segel, Teil des Schiffes Argo) und enthält die meisten Sterne, die mit bloßem Auge in einer klaren dunklen Nacht sichtbar sind. Der Kugelsternhaufen NGC 3201 ist mit einem roten Kreis markiert. Dieser Sternhaufen ist im Fernglas gerade eben so zu sehen und wird mit einem mittelgroßen Amateurteleskop in viele schwache Sterne aufgelöst.
© ESO, IAU and Sky & Telescope