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Das glimmende Universum
Der MUSE-Spektrograf zeigt, dass fast das gesamte frühe Universum im Licht des angeregten Wasserstoffs erstrahlt.

Geschrieben am 01.10.2018 in Kategorie: Astronomie

Tiefe Beobachtungen mit dem MUSE-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO haben riesige kosmische Reservoirs von atomarem Wasserstoff um entfernte Galaxien entdeckt. Das besonders empfindliche MUSE-Instrument ermöglichte direkte Beobachtungen von dünnen Wasserstoffwolken, die im frühen Universum im Lyman-alpha-Licht leuchten. Dies zeigt, dass fast der ganze Nachthimmel unbemerkt glüht.

Ein internationales Astronomenteam um Lutz Wisotzki, Professor für Beobachtende Kosmologie am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und der Universität Potsdam, entdeckte mit dem MUSE-Instrument des Very Large Telescope (VLT) der ESO eine unerwartete Fülle von Lyman-alpha-Emission in der Hubble Ultra Deep Field (HUDF)-Region. Lyman-alpha-Emission entsteht, wenn im Wasserstoffatom Elektronen zwischen zwei Energiezuständen wechseln. Dabei senden die Atome UV-Strahlung aus. Die Rotverschiebung der beobachteten Objekte lässt diese Emission für uns im sichtbaren Spektralbereich erscheinen.

Die entdeckte Strahlung deckt fast das gesamte Bildfeld ab, was die Arbeitsgruppe zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass nahezu der gesamte Himmel schier unsichtbar im Licht der Lyman-alpha-Emission aus dem frühen Universum erstrahlt.

Astronomen sind seit langem daran gewöhnt, dass der Himmel bei verschiedenen Wellenlängen völlig unterschiedlich aussieht, aber das Ausmaß der beobachteten Lyman-alpha-Emission war dennoch überraschend. „Zu erkennen, dass der ganze Himmel bei der Beobachtung der Lyman-alpha-Strahlung aus fernen Wasserstoffwolken optisch leuchtet, war eine buchstäblich augenöffnende Überraschung“, erklärt Kasper Borello Schmidt, Mitglied des Astronomenteams und ebenfalls vom AIP.

Das ist eine großartige Entdeckung“, fügt Teammitglied Themiya Nanayakkara hinzu. „Wenn du das nächste Mal den mondlosen Nachthimmel betrachtest und die Sterne siehst, stell dir das unsichtbare Glühen des Wasserstoffs vor: der Grundbaustein des Universums, der den ganzen Nachthimmel durchzieht.

Die HUDF-Region, die das Team beobachtete, ist ein ansonsten unauffälliges Gebiet im Sternbild Fornax (Chemischer Ofen), das 2004 vom NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop kartiert wurde. Es verbrachte mehr als 270 Stunden seiner wertvollen Beobachtungszeit damit, tiefer als je zuvor in diese Region des Weltraums zu schauen.

Die Beobachtungen enthüllten Tausende von Galaxien, die über einen scheinbar dunklen Fleck am Himmel verstreut waren, was uns einen demütigenden Blick auf die Größe des Universums vermittelte. Dank der hervorragenden Fähigkeiten von MUSE können wir nun noch tiefer ins All blicken. Mit dem Nachweis der Lyman-alpha-Emission im HUDF konnten Astronomen erstmals diese schwache Emission aus den Gashüllen der frühesten Galaxien nachweisen. Das gezeigte Bildkomposit stellt die Lyman-alpha-Strahlung blau dar. Sie ist mit dem berühmten HUDF-Bild überlagert.

MUSE, das Instrument hinter diesen neuesten Beobachtungen, ist ein hochmoderner Integralfeldspektrograf, der am Unit Telescope 4 des VLT am Paranal Observatorium der ESO installiert ist. Wenn MUSE den Himmel beobachtet, sieht es die Verteilung der Wellenlängen im Licht, das auf jedes Pixel seines Detektors trifft. Der Blick auf das gesamte Lichtspektrum astronomischer Objekte gibt uns tiefe Einblicke in die astrophysikalischen Prozesse im Universum.

Mit den MUSE-Beobachtungen erhalten wir eine völlig neue Sichtweise auf die diffusen Gaskokons, die Galaxien im frühen Universum umgeben“, kommentierte Philipp Richter, ein weiteres Mitglied des Teams.

Das internationale Team von Astronomen, das diese Beobachtungen durchführte, hat einige Hypothesen über den Mechanismus für die notwendige Anregung der Wasserstoffwolken aufgestellt. Eine Ursache könnte demnach die Streuung von energiereichen Photonen von heißen Sternen sein. Allerdings könnten auch andere Vorgänge - oder eine Mischung davon - für die Lyman-alpha-Strahlung verantwortlich sein.

Da dieses schwache universale Glühen jedoch am Nachthimmel als allgegenwärtig erachtet wird, ist zu erwarten, dass zukünftige Forschungen Aufschluss über seine Herkunft geben werden.

Wir planen in Zukunft die Durchführung erheblich empfindlicherer Messungen“, so Teamleiter Lutz Wisotzki. „Wir wollen herausfinden, welche Rolle die riesigen kosmischen Reservoirs atomaren Wasserstoffs im Weltraum für die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, auch unserer eigenen Milchstraße, spielen.

Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Das glimmende Universum
Tiefe Beobachtungen mit dem MUSE-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO haben riesige kosmische Reservoirs von atomarem Wasserstoff um entfernte Galaxien entdeckt. Das besonders empfindliche MUSE-Instrument ermöglichte direkte Beobachtungen von dünnen Wasserstoffwolken, die im frühen Universum im Lyman-alpha-Licht leuchten. Dies zeigt, dass fast der ganze Nachthimmel unbemerkt glüht.
© ESA / Hubble & NASA, ESO / Lutz Wisotzki et al.
Bild des Bereichs des Hubble Ultra Deep Fields aus dem Digitized Sky Survey
Dieses Bild ist ein Farbkomposit, erstellt aus Aufnahmen des Digitized Sky Surveys 2 (DSS2). Das Bildfeld beträgt etwa 2,4° x 2,0°. Die Leere dieses Himmelsausschnitts ist leicht zu erkennen.
© ESO / Digitized Sky Survey 2 / Acknowledgment: Davide De Martin
Das Hubble Ultra Deep Field im Sternbild „Chemischer Ofen“
Diese Grafik zeigt die Position des Hubble Ultra Deep Field im Sternbild Fornax (Chemischer Ofen). Die Karte zeigt die meisten Sterne, die für das bloße Auge unter guten Bedingungen sichtbar sind. Die auf dem Bild dargestellte Himmelsregion wird angezeigt.
© ESO, IAU and Sky & Telescope