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Aus neun mach acht: Die Astronomen rechnen Pluto nicht mehr zu den Planeten

Geschrieben am 28.08.2006 in Kategorie: Astronomie

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) informiert über den neuen Status des Pluto und warum die IAU sich so entschieden hat.

Die 26. Vollversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) hat am Donnerstag, dem 24. August 2006, in Prag die erste wissenschaftliche Definition des Begriffs Planet verabschiedet. Demnach verteilen sich die Objekte im Sonnensystem künftig auf drei Kategorien: Zum einen auf die vertrauten acht schon vor dem 20. Jahrhundert bekannten Planeten. Ferner auf die seither durch zahlreiche Beobachtungen stetig anwachsende Zahl von Zwergplaneten und schließlich auf unzählige Kleinkörper im Sonnensystem. Die acht Planeten sind Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Pluto, benannt nach dem römischen Gott der Unterwelt, ist nun ein Zwergplanet, wie auch der transneptunische Körper 2003 UB313, und schließlich auch der Asteroid Ceres.

Mit acht Planeten 'zu leben' und in Zukunft den Pluto außen vor zu lassen - das wird für viele unserer Zeitgenossen zunächst sicherlich etwas ungewohnt sein, so Tilman Spohn, Direktor des Instituts für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und Professor für Planetenphysik an der Universität Münster. Aber im Grunde ist die Definition von Planeten der IAU weitgehend gut nachzuvollziehen - und daher ist es auch schlüssig, den seit seiner Entdeckung 1930 liebgewonnenen Pluto mit seinem Mond Charon nicht länger zu den eigentlichen Planeten zu zählen, sondern ihm und seinen Verwandten eine eigene Klasse zuzuordnen.

Was ist ein Planet? Mit dieser, nur auf den ersten Blick trivialen Frage mussten sich die Astronomen und Planetenforscher in den vergangenen Jahren sehr intensiv beschäftigen. Bei der IAU-Vollversammlung war sie während zweier Wochen das beherrschende Thema für über zweieinhalbtausend Wissenschaftler.

Als Planeten gelten von nun an alle:

  • Himmelskörper, die in einer kreisnahen Bahn ein Zentralgestirn umrunden und dabei nicht selber Sterne sind;
  • Himmelskörper, die ausreichend Masse haben, um durch ihre eigene Schwerkraft eine annähernd kugelförmige, hydrostatisch ausgeglichene Gestalt anzunehmen;
  • Himmelskörper, die während der Entwicklung des Sonnensystems ihre Umgebung von anderem kosmischen Material freigeräumt haben.

Nach dem Wortlaut der IAU-Abstimmung gelten demnach als Zwergplaneten Himmelskörper, bei denen zwar die beiden ersten genannten Bedingungen für Planeten erfüllt sind, die jedoch ihre kosmische Umgebung nicht von Material freiräumen konnten. Gleichzeitig dürfen sie auch nicht Trabanten eines Planeten sein. Die Resolution soll laut IAU vorerst nur für unser Sonnensystem gelten. Bis heute haben Astronomen an etwa 180 benachbarten Sternen Planeten indirekt nachweisen können.
Die IAU-Vollversammlung lehnte somit auch einen Vorschlag ab, der in der ersten Tagungswoche weltweit für Schlagzeilen sorgte. Dieser beinhaltete die Erweiterung der Planetenfamilie auf zwölf Himmelskörper: Zusätzliche Planeten wären demnach sowohl ein vor drei Jahren entdeckter Körper namens 2003 UB313 geworden, der noch weiter als Pluto von der Sonne entfernt und sogar größer als dieser ist. Außerdem der Plutomond Charon, und schließlich der Asteroid Ceres, der seine Bahn um die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter beschreibt.

Eine gute Definition

Mit diesen Kriterien wurden doch deutliche Grenzlinien gezogen, wenn auch das dritte Kriterium letzte Klarheit vermissen lässt, erläutert Tilman Spohn. "Durch die immer ausgefeiltere Beobachtungstechnik werden schon in naher Zukunft sicher noch eine ganze Menge weiterer Körper jenseits des Neptun entdeckt werden, die aber eigentlich zu einer ganz anderen Klasse von Körpern des Sonnensystems gehören - und die ja nun mit den 'Zwergplaneten' auch ihre Einordnung bekommen haben."

Generationen von Astronomen begnügten sich auf der Grundlage ihrer Beobachtungen bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert mit der Definition, dass Planeten diejenigen, bis dahin mit dem bloßen Auge oder mit Teleskopen sichtbaren acht Himmelskörper sind, die um die Sonne kreisen. Planeten unterscheiden sich in ihren Bahnen markant von denen der "Fix"-Sterne, die scheinbar um die Himmelspole rotieren. Vor diesem Sternenhintergrund bewegen sich die Planeten. Der Name "Planet" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Wanderer". Teilweise werden diese Planeten, wie auch unsere Erde, wiederum von Trabanten, also Monden, umkreist.

Eine lange Diskussion: Was ist ein Planet?

Ein erstes Dilemma ergab sich im Jahr 1801 mit der Entdeckung eines Körpers, der sich zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter um die Sonne bewegt: Der Asteroid Ceres. Ursprünglich wurde dieser damals auf knapp 1.000 Kilometer Durchmesser taxierte Lichtpunkt als achter Planet (der Neptun war zu dieser Zeit noch gar nicht entdeckt) bezeichnet, wovon man jedoch bald wieder Abstand nahm. Stattdessen führten die Astronomen den Begriff "Asteroid" für die vielen zehntausenden Kleinplaneten auf ihren Bahnen zwischen dem Mars und Jupiter ein. Störungen in der Bahn des 1846 von dem Berliner Astronomen Johann Gottfried Galle (1812 - 1910) entdeckten "tatsächlichen" achten Planeten Neptun verleiteten die Forscher zu einer langen, intensiven Suche nach dem Verursacher dieser vermeintlich schwerkraftbedingten Störung der Neptunbahn.

Mit der Entdeckung Plutos durch den Amerikaner Clyde Tombaugh im Jahr 1930 schien diese Suche abgeschlossen zu sein. Wie sich allerdings herausstellte, war der nur 2.360 Kilometer durchmessende Pluto viel zu klein, als dass er die gemessenen Bahnstörungen des Neptuns hätte verursachen können. Zudem zeigte sich, dass auch die Bahn Plutos nicht in das bis dato bekannte Schema der Planeten passte: Sie ist zum einen so sehr elliptisch, dass sich der Himmelskörper während seines 248 Erdenjahre dauernden Jahreslaufs zeitweise innerhalb der Bahn des Neptuns befindet. Zum anderen ist diese Bahn um über 17 Grad gegen die Ebene, die "Ekliptik", geneigt, in der sich die anderen acht Planeten in etwa befinden. Auch Plutos geringe Größe ließ die Astronomen grübeln.

Die "Transneptunischen Objekte"

Kaum entdeckt, kam eine Diskussion in Gang, ob Pluto denn wirklich als Planet zu bezeichnen sei. Eine Debatte, die in den vergangenen zehn Jahren durch die Entdeckung weiterer Himmelskörper in diesen Regionen des Sonnensystems reichlich Nahrung erhielt. In den 40er- und 50er-Jahren formulierten die Astronomen Kenneth Essex Edgeworth (1880 - 1972) und Gerard Kuiper (1905 - 1973) unabhängig voneinander die Annahme, dass es zwischen und jenseits der Bahnen von Uranus und Neptun viele, möglicherweise Tausende kleiner Objekte geben müsse.

Mit dem technischen Fortschritt bei den Beobachtungsmöglichkeiten gelang 1992 die erste Entdeckung eines Himmelskörpers in diesen fernen Zonen des Sonnensystems. Tatsächlich befinden sich in diesem als "Edgeworth-Kuiper-Gürtel" bezeichneten Gebiet wohl Tausende von Kleinkörpern, die fortan auch als "Transneptunische Objekte" (TNO's) bezeichnet wurden. Pluto ist mit seinem 1978 entdeckten und mit 1.200 Kilometer Durchmesser in Relation zum Planeten ungewöhnlich großen Trabanten Charon einer der bedeutenderen. Als 2003 die amerikanischen Astronomen Michael E. Brown, Chadwick A. Trujillo und David Lincoln Rabinowitz einen Himmelskörper entdeckten, der sogar noch größer als Pluto ist, wurde die Diskussion um den Planetenbegriff intensiviert. Der zunächst provisorisch als 2003 UB313 bezeichnete Zwergplanet hat einen Durchmesser von etwa zweieinhalb Tausend Kilometern.

Wie zum Trost: Pluto bekommt 2015 Besuch

Pluto wurde noch nie von einer Raumsonde aus der Nähe beobachtet - aber 2015 soll der Zwergplanet endlich Besuch bekommen. Pluto und Charon, wie auch 2003 UB313, haben eine feste Oberfläche. Bei Temperaturen von unter -200 Grad Celsius besteht sie aus Eis von Wasser, Methan, Kohlenmonoxid und Stickstoff. Damit ähnelt sie stark der Oberfläche des größten Neptunmondes Triton, von dem viele Astronomen ebenfalls annehmen, dass er ein TNO gewesen sein musste und durch eine nahe Passage an Neptun von der Schwerkraft des Planeten auf eine neue Umlaufbahn gezwungen wurde.

Durch seine elliptische Umlaufbahn befinden sich Pluto und Charon in unterschiedlich großer Entfernung zur Sonne; 7,4 Milliarden Kilometer beträgt die größte Sonnendistanz. Vor und nach der größten Annäherung an die Sonne von nur viereinhalb Milliarden Kilometern (zuletzt 1989), verdampft daher ein Teil des Oberflächeneises und bildet einen atmosphärischen Schleier um den Zwergplanet. Nicht zuletzt dies war der Grund, warum die amerikanische Weltraumorganisation NASA sich beeilte, die Mission New Horizons im Januar diesen Jahres zu starten. Denn mit jedem Jahr Verzögerung wurde das Zeitfenster enger, in dem nicht nur die Oberfläche von Pluto und Charon, sondern auch die atmosphärischen Komponenten von Pluto untersucht werden können. Bei einer Umlaufzeit von 248 Erdenjahren böte sich die nächste Möglichkeit erst wieder nach vielen Generationen.

Vor kurzem wurden zwei weitere, mit Durchmessern von etwa 32 bzw. 70 Kilometern jedoch deutlich kleinere Plutomonde entdeckt, die von der IAU auf die Namen Nix (in der griechischen Mythologie die Göttin der Nacht und Mutter von Charon, des Fährmannes zur Unterwelt) und Hydra (ein neunköpfiges Wesen, das einen der Eingänge zur Unterwelt bewacht) getauft wurden.

Nachtrag vom AVGB

Am 13. September 2006 erhielt 2003 UB313 offiziell den Namen "Eris".

Quelle

DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.

Webseite: http://www.dlr.de

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