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Anatomie einer kosmischen Möwe
Das VST der ESO fotografiert den Flug einer himmlischen Möwe

Geschrieben am 07.08.2019 in Kategorie: Astronomie

Diese farbenfrohe und faszinierende Ansammlung von Objekten ist bekannt als der Möwennebel, benannt nach seiner Ähnlichkeit mit einer Möwe im Flug. Diese Region, die aus Staub, Wasserstoff, Helium und Spuren von schwereren Elementen besteht, ist die heiße und energiegeladene Geburtsstätte neuer Sterne. Das bemerkenswerte Detail, das hier vom VLT Survey Telescope (VST) der ESO aufgenommen wurde, enthüllt die einzelnen astronomischen Objekte, aus denen der Sternenvogel besteht, sowie die feineren Strukturen. Das VST ist derzeit das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, das den Himmel im sichtbaren Licht beobachtet.

Die Hauptbestandteile der „Möwe“ sind drei große Gaswolken. Die markanteste Wolke ist Sharpless 2-296, die die „Flügel“ bildet. Sh2-296 erstreckt sich über etwa 100 Lichtjahre von einer Flügelspitze zur anderen und zeigt leuchtendes Material und dunkle Staubbahnen, die sich inmitten heller Sterne schlängeln. Es ist ein schönes Beispiel für einen Emissionsnebel, in diesem Fall eine HII-Region, die auf die aktive Bildung neuer Sterne hindeutet, die in diesem Bild zu sehen sind.

Es ist die Strahlung dieser jungen Sterne, die den Wolken ihre fantastischen Farben verleiht und sie so auffällig macht, indem sie das umgebende Gas ionisiert und zum Leuchten bringt. Diese Strahlung ist auch der Hauptfaktor, der die Formen der Wolken bestimmt, indem sie Druck auf das umgebende Material ausübt und es zu den skurrilen Morphologien formt, die wir sehen. Da jeder Nebel eine einzigartige Verteilung von Sternen hat und wie dieser aus mehreren Wolken bestehen kann, gibt es eine Vielzahl von Formen, die die Phantasie der Astronomen beflügeln und zu Vergleichen mit Tieren oder bekannten Objekten anregen.

Diese Formenvielfalt wird durch den Kontrast zwischen Sh2-296 und Sh2-292 veranschaulicht. Letztere, hier direkt unter den „Flügeln“ zu sehen, ist eine kompaktere Wolke, die den „Kopf“ der Möwe bildet. Ihr markantestes Element ist ein riesiger, extrem leuchtender Stern namens HD 53367, der 20 mal so massereich wie die Sonne ist und den wir als das durchdringende „Auge“ der Möwe wahrnehmen. Sh2-292 ist sowohl ein Emissionsnebel als auch ein Reflexionsnebel. Ein Großteil seines Lichts wird von ionisiertem Gas emittiert, das seine jungen Sterne umgibt. Eine beträchtliche Menge Licht wird jedoch zudem reflektiert, welches von Sternen außerhalb des Nebels stammt.

Die dunklen Streifen, die die Gleichförmigkeit der Wolken unterbrechen und ihnen Textur verleihen, sind Staubbahnen – Bänder aus viel dichterem Material, die einen Teil des leuchtenden Gases hinter sich verbergen. Nebel wie dieser haben eine Dichte von wenigen hundert Atomen pro Kubikzentimeter, viel weniger als jedes andere künstliche erzeugte Vakuum auf der Erde. Dennoch sind die Nebel erheblich dichter als das umgebende Gas, das eine durchschnittliche Dichte von etwa 1 Atom pro Kubikzentimeter hat.

Die Möwe liegt an der Grenze zwischen den Sternbildern Canis Major (Großer Hund) und Monoceros (Einhorn), in einer Entfernung von etwa 3700 Lichtjahren in einem Arm der Milchstraße. Spiralgalaxien können Tausende dieser Wolken enthalten, die fast alle entlang ihrer umlaufenden Arme konzentriert sind.

Mehrere kleinere Wolken werden ebenfalls zum Möwennebel gezählt, darunter Sh2-297, eine kleine, knotenreiche Erweiterung der Spitze des oberen „Flügels“, Sh2-292 und Sh2-295. Diese Objekte sind alle im Sharpless-Katalog enthalten, einer Liste von über 300 leuchtenden Gaswolken, die der amerikanische Astronom Stewart Sharpless zusammengestellt hat.

Dieses Bild wurde mit dem VLT Survey Telescope (VST) aufgenommen, eines der derzeit größten Durchmusterungsteleskope der Welt, das den Himmel im sichtbaren Licht beobachtet. Das VST ist so konzipiert, dass es große Teile des Himmels schnell und mit hoher Empfindlichkeit fotografieren kann.

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Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Das rosige Glühen einer kosmischen Möwe
Farbenfroh und zart schillernd bildet Sharpless 2-296 die „Flügel“ eines Himmelsbereichs, der als Möwennebel bekannt ist – benannt nach seiner Ähnlichkeit mit einer Möwe im Flug. Dieser himmlische Vogel enthält eine faszinierende Mischung aus interessanten astronomischen Objekten. Leuchtende Wolken tauchen inmitten dunkler Staubbahnen und heller Sterne auf. Der Möwennebel – bestehend aus Staub, Wasserstoff, Helium und Spuren von schwereren Elementen - ist die heiße und energiereiche Geburtsstätte neuer Sterne.
© ESO / VPHAS+ team / N. J. Wright (Keele University)
Der Möwennebel zwischen Einhorn und Großer Hund
Diese Aufsuchkarte zeigt den Kopf des Möwennebels (roter Kreis) im Sternbild Einhorn (lat. Monoceros) in der Nähe von Sirius, dem hellsten Stern am Nachthimmel. Diese Sternentstehungsregion ist Teil des größeren Möwen-Nebels (IC 2177), der sich bis über die Grenze des benachbarten Sternbildes Großer Hund (lat. Canis Major) hinzieht. Zufällig liegt der Möwennebel in der Nähe von Thors Helm (NGC 2359, im orangenen Kreis und mit dem ESO50-Logo gekennzeichnet). Dieses ungewöhnliche Himmelsobjekt gewann den ESO-Wettbewerb „Sie entscheiden was das VLT beobachtet“.
© ESO, IAU and Sky & Telescope
Übersichtsaufnahme des gesamten Möwennebels (IC 2177)
Diese Großfeldaufnahme fängt die farbenfrohe Sternentstehungsregion des Möwennebels, IC 2177 ein, die auf der Grenze zwischen den Sternbildern Einhorn und Großer Hund liegt. Das Bild wurde aus Einzelaufnahmen zusammengesetzt, die Teil des Digitized Sky Survey 2 sind.
© ESO / Digitized Sky Survey 2 / Acknowledgement: Davide De Martin