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ALMA und VLT finden zu viele massereiche Sterne in Starburst-Galaxien nah und fern

Geschrieben am 04.06.2018 in Kategorie: Astronomie

Astronomen haben mit ALMA und dem VLT herausgefunden, dass sowohl Starburstgalaxien im frühen Universum als auch eine Sternentstehungsregion in einer nahen Galaxie einen viel höheren Anteil an massereichen Sternen enthalten als ruhigere Galaxien. Diese Erkenntnisse stellen aktuelle Vorstellungen über die Entwicklung von Galaxien in Frage und verändern unser Verständnis der kosmischen Sternentstehungsgeschichte und der Bildung der chemischen Elemente.

Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Astronomen Zhi-Yu Zhang von der Universität Edinburgh hat mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) den Anteil der massereichen Sterne in vier entfernten gasreichen Starburstgalaxien untersucht. Wir sehen diese Galaxien heute so, wie sie zu einer Zeit waren, als das Universum sehr viel jünger war. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Junggalaxien bereits mehrere vorhergehende Episoden der Sternentstehung durchgemacht  haben, die die Resultate beeinflussen könnten.

Zhang und sein Team entwickelten eine neue Technik – analog zur Radiokarbonmethode (auch bekannt als C-14 Datierung) – um die Häufigkeit verschiedener Arten von Kohlenstoffmonoxid in den vier sehr weit entfernten, staubumhüllten Starburstgalaxien zu messen. Sie beobachteten das Verhältnis von zwei Arten von Kohlenstoffmonoxid mit unterschiedlichen Isotopen.

"Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope haben eine unterschiedliche Herkunft", erklärt Zhang. "18O wird vermehrt in massereichen Sternen und 13C mehr in Sternen mit geringer bis mittlerer Masse produziert." Dank der neuen Technik konnte das Team durch den Staub in diesen Galaxien blicken und zum ersten Mal die Massen ihrer Sterne beurteilen.

Die Masse eines Sterns ist der wichtigste Faktor für seine Entwicklung. Massereiche Sterne leuchten hell und haben ein kurzes Leben, während weniger massereiche Sterne wie die Sonne Milliarden von Jahren leuchten, dafür aber weniger hell. Die Kenntnis der Anzahlverhältnisse von Sternen unterschiedlicher Massen, die in Galaxien gebildet werden, untermauert daher das Verständnis der Astronomen für die Entstehung und Entwicklung von Galaxien in der Geschichte des Universums. Folglich gibt sie uns entscheidende Erkenntnisse über die chemischen Elemente, die zur Bildung neuer Sterne und Planeten zur Verfügung stehen, und letztlich über die Anzahl der Schwarzen Löcher, die sich zu den supermassereichen Schwarzen Löchern vereinigen könnten, die wir in den Zentren vieler Galaxien sehen.

Ko-Autorin Donatella Romano vom INAF-Osservatorio di astrofisica e scienza dello spazio di Bologna erklärt, was das Team gefunden hat: "Das Verhältnis von 18O zu 13C war in diesen Starburst-Galaxien im frühen Universum etwa 10 mal höher als in Galaxien wie der Milchstraße, was bedeutet, dass es einen viel höheren Anteil an massereichen Sternen in diesen Starburst-Galaxien gibt."

Der ALMA-Fund passt zu einer weiteren Entdeckung im lokalen Universum: Ein Team um Fabian Schneider von der University of Oxford in Großbritannien führte mit dem Very Large Telescope der ESO spektroskopische Messungen von 800 Sternen in der riesigen Sternentstehungsregion 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke durch, um die Gesamtverteilung von Sternalter und Anfangsmassen zu untersuchen.

Schneider erklärte: "Wir fanden rund 30% mehr Sterne mit mehr als 30 mal so viel Masse wie die Sonne und etwa 70% mehr als erwartet über 60 Sonnenmassen. Unsere Ergebnisse stellen die vorhergesagte Grenze von 150 Sonnenmassen für die maximale Geburtsmasse von Sternen in Frage und legen sogar nahe, dass Sterne Geburtsmassen von bis zu 300 Sonnenmassen haben könnten!"

Rob Ivison, Ko-Autor des neuen ALMA-Artikel, schließt: "Unsere Erkenntnisse führen uns dazu, unser Verständnis der kosmischen Geschichte in Frage zu stellen. Astronomen, die Modelle des Universums entwickeln, müssen nun wieder zum Grundkonzept zurückkehren und noch mehr Detail hineinstecken."

Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Künstlerische Darstellung einer staubigen Starburstgalaxie
Diese künstlerische Darstellung zeigt eine staubige Galaxie im fernen Universum, die viel schneller Sterne bildet als in unserer Milchstraße. Neue ALMA-Beobachtungen haben es Wissenschaftlern ermöglicht, den Staubschleier zu lüften und zu sehen, was bisher unzugänglich war – dass solche Starburstgalaxien im Vergleich zu friedlicheren Galaxien einen Überschuss an massereichen Sternen haben.
© ESO / M. Kornmesser
Der Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke
Diese gewaltige Sternentstehungsregion in der Nachbargalaxie der Milchstraße, der Großen Magellanschen Wolke, ist der Geburtsort einer erstaunlichen Anzahl von massereichen Sternen, von denen einige Massen von bis zu 300 Sonnenmassen haben können.
© ESO
Künstlerische Darstellung einer staubigen Starburstgalaxie
Galaxien im fernen Universum beobachtet man heute noch in ihrer Jugendzeit. Sie haben daher relativ nur eine kurze und ereignislose Sternentstehungsgeschichte. Dies macht sie zu einem idealen Labor, um die frühesten Epochen der Sternentstehung zu erforschen. Aber das hat seinen Preis – sie sind oft von Staub umhüllt, der die korrekte Interpretation der Beobachtungen behindert.
© ESO / M. Kornmesser
Künstlerische Darstellung einer Starburstgalaxie
Diese Art von Galaxie bildet typischerweise Sterne mit so hoher Geschwindigkeit, dass Astronomen sie als "Starbursts" bezeichnen. Sie können bis zu 1000 mal mehr Sterne pro Jahr bilden als die Milchstraße. Dank der einzigartigen Fähigkeiten von ALMA ist es den Astronomen gelungen, den Anteil der massereichen Sterne in solchen Galaxien zu messen.
© ESO / M. Kornmesser
ALMA-Beobachtungen von vier fernen Starburstgalaxien
Dieses Bild zeigt die vier von ALMA beobachteten entfernten Starburstgalaxien. Die oberen Bilder zeigen die 13CO Emission jeder Galaxie, während die unteren ihre C18O Emission zeigen. Durch das Verhältnis dieser beiden Isotopologen konnten Astronomen ermitteln, dass diese Galaxien einen Überschuss an massereichen Sternen haben.
© ALMA (ESO / NAOJ / NRAO), Zhang et al.