Geschrieben am 23.09.2016 in Kategorie: Astronomie
Bevor das Hubble Ultra Deep Field (HUDF) im Jahr 2004 wegen seines Galaxienreichtums weltberühmt wurde, schien diese dunkle Ecke des Universums auf den ersten Blick eher unauffällig zu sein. Nun hat ein internationales Astronomenteam mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) diese Region im Mikrowellenbereich noch genauer unter die Lupe genommen als jede andere Beobachtungskampagne zuvor. Die Forscher, unter ihnen auch Wissenschaftler aus Heidelberg, Bonn und Garching, konnten zeigen, dass die Sternentstehungsrate in jungen Galaxien eng mit der Gesamtmasse der Sterne zusammenhängt. Sie fanden heraus, welches Rohmaterial für die Sternentstehung vor etwa 10 Milliarden Jahren, zur Blütezeit der Galaxienentstehung, im Kosmos zur Verfügung stand.
Die neuen ALMA-Ergebnisse werden in einer Reihe von Fachartikeln in den Zeitschriften Astrophysical Journal und Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheinen, sowie bei einer Konferenz in Palm Springs in Kalifornien in den USA anlässlich des fünfjährigen Jubiläums des ALMA-Radioteleskops vorgestellt.
2004 wurden die Aufnahmen des Hubble Ultra Deep Field veröffentlicht — eine der ersten Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskops von NASA/ESA mit extrem langer Gesamtbelichtungszeit. Nie zuvor wurde so tief ins Universum geblickt und diese beeindruckenden Bilder lieferten eine Menagerie an Galaxien, von denen die ältesten weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden waren. Die Himmelsregion wurde nicht nur mehrmals von Hubble, sondern auch von vielen anderen Teleskopen beobachtet, wodurch die bis heute tiefsten Aufnahmen des Universums entstanden sind.
Astronomen haben nun anhand von hochempfindlichen Aufnahmen von ALMA dieses scheinbar unauffällige, aber gut untersuchte Fenster ins tiefe Universum zum ersten Mal im Millimeter-Wellenlängenbereich inspiziert. Dadurch war es ihnen möglich, das lichtschwache Leuchten von Gaswolken sowie die Emission von warmem Staub in Galaxien im frühen Universum zu beobachten.
Bis jetzt hat ALMA das HUDF für insgesamt knapp 50 Stunden beobachtet. Hierbei handelt es sich um die bisher längste Beobachtungszeit von ALMA eines einzigen Bereichs des Himmels.
Ein Team unter Leitung von Jim Dunlop von der University of Edinburgh in Großbritannien gewann mit ALMA das erste tiefe, gleichmäßig belichtete ALMA-Bild einer Region, die so groß ist wie das HUDF. Die Daten ermöglichten ihnen, die Galaxien, die sie entdeckten, mit den Objekten abzugleichen, die bereits von Hubble und anderen Teleskopen beobachtet wurden.
Zum ersten Mal konnte mit dieser Untersuchung gezeigt werden, dass sich die stellare Masse einer Galaxie am besten für die Vorhersage der Sternentstehungsrate im frühen, und damit hochrotverschobenen Universum eignet. Für die Untersuchung wurden in erster Linie alle Galaxien mit großer Masse herangezogen.
Jim Dunlop fasst als Erstautor des Artikels über das sogenannte Deep Imaging die Bedeutung seiner Studie zusammen: „Dieses Ergebnis ist ein Durchbruch. Zum ersten Mal verknüpfen wir Aufnahmen des fernen Universums aus Hubble-Beobachtungen im sichtbaren und ultravioletten Licht mit ALMA-Aufnahmen im ferninfraroten Millimeter-Bereich.“
Das zweite Team unter der Leitung von Manuel Aravena vom Núcleo de Astronomía, Universidad Diego Portales in Santiago in Chile und Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg führte eine tiefere Suche über eine Fläche von etwa einem Sechstel der gesamten Fläche des HUDF durch.
„Wir haben die erste komplett blinde, dreidimensionale Suche nach kaltem Gas im frühen Universum durchgeführt“, erläutert Chris Carilli, Astronom am National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Socorro in New Mexico in den USA und Mitglied des Forscherteams. „Dadurch haben wir eine Population von Galaxien entdeckt, die in anderen tiefen Durchmusterungen des Himmels nicht so einfach zu identifizieren ist.“
Einige der neuen ALMA-Beobachtungen dienten ausschließlich dem Zweck, Galaxien zu entdecken, die reich an Kohlenstoffmonoxid sind, was auf Regionen hindeutet, die für Sternentstehung bestens geeignet sind. Obwohl dieser molekulare Gasvorrat die Sternentstehungsaktivität in Galaxien verursacht, sind die Regionen mit Hubble oft nur schwer zu beobachten. ALMA kann daher weitere wichtige Puzzlestücke für das Rätsel der Entstehung und Entwicklung von Galaxien in unserem Universum liefern.
„Unsere neuen ALMA-Ergebnisse legen nahe: Je weiter wir in die Vergangenheit zurückblicken, umso mehr Gas finden wir in den Galaxien, die wir sehen“, fügt Manuel Aravena, Ko-Leiter des Astronomenteams, hinzu. „Diese Zunahme an Gasgehalt dürfte der Grund für die beachtliche Zunahme der Sternentstehungsraten sein, die während des Höhepunkts der Galaxienentstehung vor rund 10 Milliarden Jahre einsetzte.“
Die heute vorgestellten Ergebnisse sind erst der Anfang einer Reihe von zukünftigen Beobachtungen mit ALMA zur Erforschung des fernen Universums. Beispielsweise soll eine 150-Stunden-Beobachtungskampagne des HUDF die Geschichte des Sternentstehungspotentials des Universums aufklären.
„Die genauen Hintergründe der Geschichte der kosmischen Sternentstehung müssen wir erst noch verstehen. Unser jetzt bewilligtes ALMA Large Program wird die fehlenden Informationen über das Rohmaterial der Sternentstehung für Galaxien im berühmten Hubble Ultra Deep Field liefern“, ergänzt Fabian Walter.
ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.
Webseite: https://www.eso.org