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Hochauflösende Aufnahme von Eta Carinae gelungen
VLT-Interferometer bildet tobende Winde in bekanntem massereichem Sternsystem ab

Geschrieben am 20.10.2016 in Kategorie: Astronomie

Niemals zuvor konnte das Sternsystem Eta Carinae so detailreich aufgenommen werden, wie es nun einem internationalen Forscherteam mit starker Beteiligung vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie gelang. Bei ihren Beobachtungen kamen neue Strukturen innerhalb des Doppelsternsystems zutage, die die Wissenschaftler nicht erwartet hätten, insbesondere im Bereich zwischen beiden Sternen, in denen die Winde beider Sterne mit hoher Geschwindigkeit aufeinanderprallen. Diese Entdeckung könnte neue Einblicke in das rätselhafte Sternsystem liefern und damit auch zu einem besseren Verständnis der Entwicklung besonders massereicher Sterne führen. Die Beobachtungen wurden mit dem Very Large Telescope Interferometer durchgeführt.

Unter der Leitung von Gerd Weigelt vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gelang einem Team aus Astronomen mit dem Very Large Telescope Interferometer (VLTI) am Paranal-Observatorium der ESO eine einzigartige Aufnahme des Sternsystems Eta Carinae im Carinanebel.

Dieses gewaltige Doppelsternsystem besteht aus zwei massereichen und sehr aktiven Sternen, die sich gegenseitig umkreisen und jeweils starke Sternwinde verursachen, die mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Millionen Kilometer pro Stunde ins All geschleudert werden. Der Bereich zwischen den Sternen, in dem die Winde beider Sterne aufeinandertreffen, ist sehr turbulent und konnte bisher aufgrund seiner geringer Winkelausdehnung nicht näher untersucht werden.

Die enormen Kräfte, die im Doppelsternsystem Eta Carinae wirken, führen zu Phänomenen, die auch von der Erde aus sichtbar sind. In den 1830er Jahren konnten Astronomen einen starken Ausbruch in dem System beobachten. Heute weiß man, dass er vom größeren der beiden Sterne verursacht wurde, als dieser große Mengen an Gas und Staub innerhalb kürzester Zeit ausgestoßen hatte, was zu den markanten Flügeln geführt hat, die heute in dem System beobachtbar sind und als Homunculus-Nebel bezeichnet werden. Wenn die Winde beider Sterne mit ihren extrem hohen Geschwindigkeiten aufeinanderprallen, entstehen Temperaturen von Millionen von Grad und intensive Röntgenstrahlung.

Die Zone zwischen den Sternen, in dem die Winde aufeinandertreffen, ist von der Erde aus betrachtet so winzig – eintausendmal kleiner als der Homunculus-Nebel – dass Teleskope im Weltraum oder auf der Erde bisher nicht in der Lage waren, sie im Detail abzubilden. Dank der hohen Leistungsfähigkeit des Interferometrie-Instruments AMBER am VLT konnte das Forscherteam zum ersten Mal in diesen Bereich hineinblicken. Die in drei der vier beweglichen Hilfsteleskope am VLT einfallende Infrarotstrahlung wurde mit AMBER kombiniert, so dass die Auflösung diejenige eines der Hauptteleskope um das Zehnfache übersteigt. Damit entstand die schärfste jemals gemachte Aufnahme dieses Doppelsternsystems, die unerwartete Ergebnisse über dessen innere Struktur offenbarte.

Die neue VLTI-Aufnahme stellt klar eine gebläseförmige Struktur dar, die zwischen den beiden Eta Carinae-Sternen besteht. Beobachtet wurde sie in dem Bereich, in dem der starke Wind des kleineren, heißeren Sterns mit dem dichten Wind des größeren Sterns zusammenstößt.

Damit sind unsere Träume wahr geworden, da wir nun Bilder mit extrem hoher Auflösung im Infrarotbereich zur Verfügung haben”, meint Gerd Weigelt. „Das VLTI-Teleskop bietet uns einzigartige Möglichkeiten, unser physikalisches Verständnis von Eta Carinae und einer Reihe von weiteren astronomischen Schlüsselobjekten zu vergrößern.“

Zusätzlich zu der gelungenen Abbildung dieses Bereichs machten es die spektralen Beobachtungen der Kollisionzone möglich, die Geschwindigkeiten der starken Sternwinde zu messen. Mithilfe dieser Geschwindigkeiten konnte das Forscherteam genauere Computermodelle der inneren Struktur dieses faszinierenden Sternsystem erstellen, die in Zukunft dabei helfen werden, den Masseverlust während der Entwicklung dieser Art extrem massereicher Sterne besser zu verstehen.

Dieter Schertl vom MPIfR, Mitglied des Forscherteams, sieht Perspektiven für die Zukunft: “Die neuen VLTI-Instrumente GRAVITY und MATISSE werden es uns ermöglichen, interferometrische Bilder mit noch höherer Auflösung über einen größeren Wellenlängenbereich zu erhalten. Dieser weite Wellenlängenbereich ist erforderlich, um die physikalischen Eigenschaften vieler astronomischer Objekte abzuleiten.“

Quelle

ESO - Europäische Südsternwarte
Die "Europäische Organisation für astronomische Forschung in der südlichen Hemisphäre" oder auch kurz "Europäische Südsternwarte" ist ein Forschungsinstitut mit verschiedenen Observatorien.

Webseite: https://www.eso.org

Detaillierter Blick auf Eta Carinae
Diese Zusammenstellung zeigt den Carinanebel (linker Teil des Bildes), die Heimat des Eta-Carinae-Sternsystems. Dieser Teil wurde mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium beobachtet. Das erste Inset zeigt die direkte Umgebung des Sterns: den Homunculus-Nebel, der durch die ausgestoßene Materie des Eta-Carinae-Systems entstanden ist. Dieses Bild wurde mit dem NACA Nahinfrarot-Instrument mit adaptiver Optik am Very Large Telescope der ESO aufgenommen. Das zweite Inset zeigt den innersten Teil des Systems aus Sicht des Very Large Telescope Interferometer (VLTI). Hierbei handelt es sich um die hochauflösendste jemals gemachte Aufnahme von Eta Carinae.
© ESO / G. Weigelt
Hochauflösende Aufnahme von Eta Carinae
Dieses Bild stellt die beste Aufnahme des Eta-Carinae-Sternsystems dar, die je gemacht wurde. Die Beobachtungen wurden mit dem Very Large Telescope Interferometer durchgeführt und könnten in Zukunft dabei helfen, die Entwicklung extrem massereicher Sterne besser zu verstehen.
© ESO
Digitized Sky Survey-Aufnahme des Eta Carinae-Nebels
Dieses Farbkomposit des Carinanebels wurde aus Daten des Digitized Sky Survey 2 (DSS2) erstellt. Das Gesichtsfeld beträgt etwa 4,7° x 4,9°.
© ESO / Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin
Der Carinanebel im Sternbild Carina
Diese Aufsuchkarte zeigt die Position des Carinanebels im Sternbild Carina (der Schiffskiel). Eingezeichnet sind die meisten der unter guten Bedingungen mit bloßem Auge sichtbaren Sterne. Der Nebel selbst ist mit einem grünen Quadrat in einem roten Kreis links im Bild markiert (bezeichnet mit der Nummer 3372 für NGC 3372). Der Nebel ist außerordentlich hell und kann bereits mit kleinen Teleskopen gut beobachtet werden. Sogar für das bloße Auge ist er schwach erkennbar.
© ESO, IAU and Sky & Telescope
Panorama-Aufnahme der Region um WR 22 und Eta Carinae
Dieses spektakuläre Panorama kombiniert ein Bild der Umgebung des Wolf-Rayet-Sterns WR 22 im Carinanebel (rechts) mit einer älteren Aufnahme von der Umgebung des Sterns Eta Carinae im Zentrum des Nebels (links). Das Bild wurde aus Aufnahmen erstellt, die mit mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile aufgenommen wurden.
© ESO
Ein Bild, viele Geschichten
ESO-Fotobotschafter Babak Tafreshi hat ein außergewöhnliches Bild des Himmels über dem Paranal-Observatorium der ESO mit einem ganzen Strauß von Deep-Sky Objekten aufgenommen. Der auffälligste von ihnen ist der Carinanebel, intensiv rot leuchtend in der Mitte des Bildes. Der Carinanebel befindet sich in einer Entfernung von ungefähr 7500 Lichtjahren von der Erde im Sternbild Carina (der Schiffskiel). Diese Wolke aus leuchtendem Gas und Staub ist der hellste Nebel am Himmel und enthält einige der hellsten und massereichsten Sterne, die in der Milchstraße bekannt sind, so wie beispielsweise Eta Carinae. Der Carinanebel ist ein idealer Prüfstand für Astronomen, um die Rätsel von Geburt und Tod massereicher Sterne zu entschlüsseln. Unter dem Carinanebel ist der offene Sternhaufen NGC 3531 sichtbar. Dieser Haufen junger Sterne sieht durch das Okular eines Teleskops wie eine Handvoll Silbermünzen aus, die am Grund eines Wunschbrunnens glitzern, und wird deshalb im englischen Sparachraum auch „Wishing well cluster“ genannt. Weiter rechts finden wir den Lambda Centauri-Nebel (IC 2944), eine Wolke aus leuchtendem Wasserstoff und neugeborenen Sternen, die manchmal auch als „Nebel des laufenden Huhns“ bezeichnet wird, abgeleitet von dem vogelartigen Aussehen in seiner hellsten Region. Über diesem Nebel etwas linkerhand finden wir die südlichen Plejaden (IC 2632), einen offenen Sternhaufen, der ähnlich wie sein nördlicher Namensvetter aussieht. Im Vordergrund können wir drei der vier Hilfsteleskope (Auxiliarty Telescopes, kurz ATs) des Very Large Telescopes Interferometers (VLTI) erkennen. Über das VLTI können die Hilfsteleskope – oder die 8,2-Meter-Hauptteleskope – gemeinsam wie ein riesiges Teleskop benutzt werden und feinere Details sehen, als es nur mit individuellen Einzelteleskopen möglich wäre. Das VLTI wurde mittlerweile für eine breite Palette von Forschungsprojekten verwendet, wie das Studium von zirkumstellaren Scheiben um junge Sterne und Aktiver Galaktischer Kerne, eines der energiereichsten und rätselhaftesten Phänomene im Universum.
© ESO / B. Tafreshi (twanight.org)
VLT Survey Telescope-Aufnahme des Carinanebels
Das VLT Survey Telescope am Paranal-Observatorium der ESO hat dieses eindrucksvolle neue Bild des Carinanebels aufgenommen, das am 6. Dezember 2012 anlässlich der Einweihungszeremonie für das Teleskop in Neapel veröffentlicht wurde. Die Aufnahme wurde am 5. Juni 2012 unter Mitwirkung von Sebastián Piñera, dem chilenischen Präsidenten, während seines Besuchs des Observatoriums erstellt.
© ESO. Acknowledgement: VPHAS+ Consortium / Cambridge Astronomical Survey Unit
Eta Carinae
Dieses Bild des Sterns Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen Eta Carinae wurde mit dem Nahinfrarot-Instrument NACO mit Adaptiver Optik am Very Large Telescope der ESO aufgenommen und zeigt unglaubliches Detail. Die Daten geben eine bipolare Struktur und Jets wieder, die vom Zentralstern ausgehen. Die Einzelbilder wurden vom Wissenschafts-Team des Paranal aufgenommen und von Yuri Beletsky (ESO) und Hännes Heyer (ESO) bearbeitet. Sie basieren auf Daten, die mit Breitbandfiltern entstanden sind (J, H, und K bei 90 Sekunden Belichtungszeit pro Filter) und zusätzlichen Schmalbandaufnahmen (bei 1,64, 2,12 und 2,17 µm, die Eisen sowie molekularen und atomaren Wasserstoff abbildern, Belichtungszeit jeweils 4 min pro Filter).
© ESO