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Großbrand im Weltraum liefert erste Ergebnisse

Geschrieben am 25.11.2016 in Kategorie: Sonstige Missionen

Als die ersten Bilder des SAFFIRE II-Experiments zur Verbrennung einer Plexiglasprobe an Bord des CYGNUS-Raumtransporters das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen erreichen, macht sich große Erleichterung breit. Der Versuchsaufbau im Weltraum hat funktioniert: die Luftströmung setzte zum richtigen Zeitpunkt ein, der Heizdraht hat geschaltet und die Probe entzündet, nach dem Ausschalten des Zündungsvorgangs brannte die Probe zunächst nur sehr schwach weiter, erholte sich dann jedoch und entwickelte sich zu dem Feuer, dass es jetzt zu untersuchen gilt.

Bereits die ersten Bewertungen der ZARM-Wissenschaftler zeigen große Unterschiede zu den Ergebnissen, die mit gleichen Materialproben im Labor unter terrestrischen Bedingungen erzielt wurden. Während bei einem Feuer am Boden scharf konturierte, kontrastreiche und stark züngelnde Flammen zu erkennen sind, sieht es bei SAFFIRE II wie durch eine Milchglasscheibe betrachtet aus – die Flammen sind kaum strukturiert, mit samtigen Übergängen und in ihren Bewegungen deutlich verlangsamt. Schnell werden aber noch wichtigere Unterschiede sichtbar: So breitet sich das Feuer an Bord von CYGNUS rund 10 Mal langsamer aus als im Versuchslabor auf der Erde, und während Plexiglas am Boden sehr raucharm verbrennt, entwickelt es in der Schwerelosigkeit enorm viel Rauch – ein Aspekt, der naheliegend nicht nur sicherheitsrelevant ist, sondern jetzt auch die Auswertung von SAFFIRE II für die Wissenschaftler erschwert. Denn im Unterschied zu einem Bodenversuch, bei dem die aufsteigende, sichtbare Flamme die darunter liegende Zone der Ausgasung brennbaren Pyrolysegases verdeckt, ist die Flamme unter Schwerelosigkeit jetzt nicht nur sehr viel kürzer, auch die Pyrolysezone breitet sich weit vor der Flamme aus.

Genau dies liefert einen wichtigen Hinweis auf die Problematik von Bränden im Weltraum: Durch die langsamere Ausbreitung und die schwächere Turbulenz des Feuers, beides Effekte, die durch die fehlende Auftriebskonvektion in der Schwerelosigkeit begründet sind, wird der Materialprobenbereich unter der Flamme und auch weit vor der Flamme wesentlich stärker erhitzt als am Boden. Hierdurch dringt ein Feuer nicht nur tiefer in das Material ein, die stärkere Aufheizung kann auch die Einstufung der Materialeigenschaft von „selbstverlöschend“ nach „brennbar“ verschieben. Ein solches Feuer in einer Raumstation würde sich selbst somit deutlich stärker erhitzen und länger brennen.

Diese stärkere Aufheizung macht sich bei SAFFIRE II auch in einer Verformung der Materialprobe bemerkbar. Die eingebrachten Strukturen in der Oberfläche deformieren sich bereits in einem Bereich, der viel weiter vor der Flamme liegt als dies im Bodenversuch der Fall ist.

Dass eine erste Einschätzung der Ergebnisse schon nach wenigen Stunden möglich ist, freut das ZARM-Team sehr. Die während des 11 Minuten dauernden Weltraum-Experiments generierten Daten aus Sensormessungen – wie Anströmgeschwindigkeit und -temperatur des Luftstroms, Sauerstoffkonzentration, Druck, Luftfeuchtigkeit und Strahlungsdichte – sowie die rund 20.000 Einzelfotos erfordern nun jedoch einen längeren Auswertungsprozess. Einmal abgeschlossen und in einer wissenschaftlichen Studie veröffentlicht, wird dieser in die Konzeption des Folge-Experiments SAFFIRE V einfließen, um schließlich essentielle Hinweise für die Brandsicherheit auf bemannten Raumfahrzeugen zu liefern.

Quelle

ZARM - Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation
Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation ist ein wissenschaftliches Institut und betreibt an der Universität Bremen Forschung für den Weltraum und unter Weltraumbedingungen.

Webseite: https://www.zarm.uni-bremen.de/

CYGNUS-Raumtransporter Orb 6
Der CYGNUS-Raumtransporter Orb 6 mit dem Vorgänger-Experiment SAFFIRE I kurz vor dem Ankoppeln an die ISS im März 2016.
© NASA
Tests am SAFFIRE II-Experiment
Ein Ingenieursteam des NASA Glenn Research Centers in Cleveland bei Tests am SAFFIRE II-Experiment. Die mittlere der drei sichtbaren, grün leuchtenden Proben ist die des ZARM. Die obere Probe ist ebenfalls aus Acrylglas, hat die gleichen Abmessungen jedoch ohne Strukturen und dient als Referenzexperiment.
© NASA