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Happy Birthday, Columbus: 10 Jahre Forschung in der Schwerelosigkeit

Geschrieben am 06.02.2018 in Kategorie: Missionen der bemannten Raumfahrt

Das Weltraumlabor Columbus startete am 7. Februar 2008 seine Reise ins All und ist nun seit zehn Jahren das wissenschaftliche Herzstück für europäische Forschung auf der Internationalen Raumstation ISS. In der Schwerelosigkeit gewinnen Forscher einzigartige Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Disziplinen, von Astrophysik über Materialforschung bis hin zu Psychologie und Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat die Entwicklung und Fertigung des ISS-Moduls im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA betreut, ist auf Forschungsebene mit Experimenten aktiv und leitet vom Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen aus den Betrieb.

Insgesamt 161 ESA-Experimente wurden im Columbus-Labor durchgeführt, wie auch Experimente von 67 internationalen Partnern und kommerziellen Nutzern. Mehr als hundert Astronauten waren dazu an Bord – beginnend  mit Hans Schlegel, der das Columbus-Modul im Rahmen der Mission STS-122 in Betrieb nahm. Alexander Gerst wird im Juni 2018 für seine ISS-Mission "Horizons" zu dem Labor in 400 Kilometer Höhe zurückkehren. Ein Arbeitsplatz, der bei dem deutschen ESA-Astronauten viele Erinnerungen weckt – wie etwa der improvisierte Einsatz von Rasierschaum, um beim Einbau des EML-Schmelzofens Sägespäne einzufangen. An die erfolgreiche Arbeit von 2014 kann Alexander Gerst anknüpfen, wenn er nun im Sommer den Probensatz der Anlage austauschen wird, um eine neue Serie von materialphysikalischen Experimenten zu ermöglichen.

Rund 80 Wissenschaftler und Ingenieure am Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des DLR (GSOC) betreuen die europäischen Aktivitäten auf der ISS: Seit bereits mehr als 87.600 Stunden überwacht und koordiniert das Columbus-Kontrollzentrum des GSOC nun den Betrieb im Columbus Modul an der ISS. In dieser Zeit sicherte die Bodencrew nicht nur den Routinebetrieb, sondern musste auch ständig neue Herausforderungen bewältigen. Dazu gehörten Softwareupdates des hochspeziellen Betriebssystems ebenso wie Reparatur und Wartung der lebensnotwendigen Systeme, wie etwa der Austausch einer 70 Kilogramm schweren Wasserpumpe.

Wissenschaftliches Neuland

So konnte das Weltraumlabor in seiner zehnjährigen Geschichte stets neues wissenschaftliches Terrain erschließen. Dazu gehört auch die Erforschung von  Magnetfeldern und Grundlagen zur Entwicklung von Schutzschilden mithilfe des Magnetic Field Experiment "MagVector/MFX". Im "Biolab" hingegen konnten Wissenschaftler das Wachstumsverhalten von Pflanzen und Mikroorganismen in der Schwerelosigkeit erforschen. Mit Spannung wird auch die Fortsetzung der Plasmakristall-Experimente und der Experimente zur Mensch-Roboter-Interaktion mit dem intelligenten DLR-Roboter Justin erwartet:

Die Apparatur "PK-4" erlaubt es physikalische Prozesse in einem Modellsystem für Flüssigkeiten und Festkörpern auf "atomarer" Ebene zu untersuchen. Bereits die Entdeckung der Plasmakristalle 1994  führte dazu, dass die Lehrbücher der Physik umgeschrieben werden mussten. Mit der für den Herbst geplanten neuen Experimentreihe im Columbus-Labor hebt das DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum Datenschätze für die nächsten Jahrzehnte.

Das DLR-Institut für Robotik und Mechatronik bereitet derzeit zwei Folgeexperimente im Rahmen des Projekts METERON vor. Die Astronauten an Bord der ISS werden im Columbus-Labor den humanoiden Roboter Justin im DLR Oberpfaffenhofen per Tablet steuern. Mittels einer einfachen Befehlseingabe aus der Ferne soll der Roboter komplexe Aufgaben selbstständig ausführen. In der zweiten Jahreshälfte ist dann ein Co-Worker-Experiment mit Alexander Gerst geplant. Der deutsche ESA-Astronaut wird mit  einem Tablet von der ISS aus die nächste Entwicklungsstufe des zukünftigen Robonauten testen – das intelligente Zusammenfügen von Elementen für den Aufbau eines Gerätes oder einer Marsstation.

Internationale Zusammenarbeit

Die Internationale Raumstation ISS ist das größte Technologieprojekt aller Zeiten: Der "Außenposten" der Menschheit im All wird derzeit gemeinsam von den USA, Russland, den Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation ESA, Kanada und Japan betrieben. Das DLR-Raumfahrtmanagement koordiniert dabei die deutschen Beiträge zu den ISS-Programmen der ESA, in Bezug auf Ausbau, Betrieb und Nutzung der Station und ist federführend bei der Umsetzung des nationalen Nutzungsprogramms. Bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der deutschen und europäischen Weltraumexperimente werden die Wissenschaftler durch das Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) unterstützt. Für die Ausbildung der Astronauten und des Betriebsteams des Columbus-Labors ist das Europäische Astronautenzentrum (EAC) zuständig, in Zusammenarbeit mit der DLR-Einrichtung Raumflugbetrieb und Astronautentraining. Das Columbus-Kontrollzentrum im DLR Oberpfaffenhofen führt den Betrieb des ISS-Moduls in enger  Abstimmung mit den Astronauten sowie den Kontrollzentren der NASA in Houston und Huntsville durch.

Quelle

DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.

Webseite: http://www.dlr.de

Columbus-Modul: Außenansicht
Das Columbus-Modul wurde am 11. Februar 2008 an der Steuerbordseite des Verbindungsknotens Harmony dauerhaft an die ISS montiert und in Betrieb genommen. Columbus, Europas Beitrag zur ISS, ist ein Mehrzwecklabor für die multidisziplinäre Forschung unter Schwerelosigkeit. Das Modul ist 6,9 Meter lang und hat einen Durchmesser von 4,5 Meter.
© NASA
Alexander Gerst startet Experimente EML und MagVektor/MFX
Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst vom 28. Mai bis zum 10. November 2014 für die Mission "Blue Dot" auf der Internationalen Raumstation ISS. Während seiner 165 Tage angesetzten Mission war er in 100 verschiedene Experimente aller ISS-Partner eingebunden. Hier im Bild schaltet Alexander Gerst die ESA-Experimente EML und MagVektor/MFX im Columbus-Labor ein.
© NASA / ESA
Columbus-Modul: Labor bei Nacht
Im europäischen Weltraumlabor auf der ISS können bis zu drei Astronauten auf 25 Kubikmetern an wissenschaftlichen Experimenten arbeiten. Im Inneren ist Columbus mit 16 Experimentier-Regalen, sogenannten Racks ausgestattet, in denen ähnlich wie bei Einbauschränken Laborausrüstung, Computer und technische Systeme untergebracht sind. Sie können Versuchseinrichtungen von bis zu 700 Kilogramm Masse aufnehmen und bei Bedarf ausgetauscht oder ersetzt werden. Drei weitere Racks dienen als Stauraum und für die Unterbringung der Infrastruktur, vornehmlich für die Stromversorgung, Datenverteilung und Wasserpumpen sowie das Klima- und Feuerunterdrückungssystem.
© NASA / ESA
Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen
Das Columbus-Kontrollzentrum befindet sich im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) des DLR Oberpfaffenhofen und ist rund um die Uhr in Betrieb. Zu den Aufgaben des Kontrollzentrums gehören das Training für das Betriebspersonal sowie die Vorbereitung und Durchführung von Missionssimulationen, die Überwachung und Steuerung der technischen Systeme des Columbus-Labors und der Experimente an Bord der Raumstation, die Kommunikation zwischen ISS, Bodenstationen und den Nutzerkontrollzentren, Empfang, Verarbeitung, Verteilung und Auswertung von Daten wie auch die Betriebsablaufplanung an Bord und am Boden (Missionsplanung).
© DLR (CC-BY 3.0)