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Das "Chaotische Gebiet" von Ariadnes Colles auf dem Mars

Geschrieben am 24.04.2009 in Kategorie: Mission "Mars Express"

Ariadnes Colles ist eines von vier solchen Chaotischen Gebieten in Terra Sirenum im südlichen Hochland des Mars.

Auf dem Mars gibt es zahlreiche so genannte "Chaotische Gebiete", die sich durch eine scheinbar regellose Häufung von Gesteinsblöcken unterschiedlichster Größe und tafelbergähnlichen Erhebungen auszeichnen. Ariadnes Colles ist eines von vier solchen Chaotischen Gebieten in Terra Sirenum im südlichen Hochland des Mars. Mit einer Ausdehnung von etwa 180 Kilometer mal 160 Kilometer und einer Fläche von zirka 29.000 Quadratkilometern ist Ariadnes Colles fast so groß wie Baden-Württemberg. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Sonde Mars Express nahm am 16. April 2007 im Orbit 4209 die nordwestlichen Ausläufer des Gebietes in einer Bildauflösung von etwa 13 Metern pro Bildpunkt (Pixel) auf.

Die Abbildungen zeigen hiervon einen Ausschnitt bei 34 Grad südlicher Breite und 172 Grad östlicher Länge. In den Draufsichten ist Norden rechts im Bild. Ein Großteil der Region wird von unregelmäßig geformten und unterschiedlich großen Blöcken dominiert, die regellos über Ariadnes Colles verteilt auftreten (Bildausschnitt 1 im Übersichtsbild). Ariadnes Colles, die "Hügel der Ariadne", sind nach der Tochter des kretischen Königs Minos benannt. Der griechischen Mythologie nach gab Ariadne dem Athener Königssohn Theseus ein Wollknäuel mit auf den Weg in das Labyrinth, in dem der Menschen fressende Stiergott Minotauros hauste. Nachdem Theseus den Minotauros getötet hatte, fand er mit Hilfe des zuvor abgewickelten Wollknäuels wieder aus dem Labyrinth.

Entstehung durch die erodierende Kraft von Wind oder Wasser

Die Größe der Blöcke in Ariadnes Colles variiert von etwa einem Kilometer bis zu zehn Kilometern Ausdehnung. Die Oberflächen der Erhebungen sind deutlich heller gefärbt als die dazwischen liegenden Gebiete. Vereinzelt sind die größeren Blöcke tafelbergähnlich ausgebildet und ragen bis zu einer Höhe von 300 Metern aus der Umgebung heraus (Bildausschnitt 2).

Auffällig sind Riefen (Spuren) auf der Oberfläche der Blöcke, die eine deutliche Vorzugsrichtung in nordwest-südöstlicher Richtung zeigen (im Bildausschnitt 3 in Vergrößerung als Spur von unten-links nach oben-rechts zu sehen). Die nordwestlichen Flanken der Geisteinsfragmente sind stellenweise deutlich stärker erodiert als die südöstliche Seite der Blöcke. Im Südwesten der Region sind deutlich so genannte "Runzelrücken" (engl. "wrinkle ridges") zu erkennen. Die Runzelrücken entstehen im Zuge von vulkano-tektonischen Prozessen, wenn also vulkanische Ablagerungen durch Kompression zusammen- und übereinander geschoben werden (Bildausschnitt 4). Die Runzelrücken bilden die westliche Begrenzung von Ariadnes Colles (oben im Bild).

Im Gegensatz zu anderen bekannten Chaotischen Gebieten wie beispielsweise Iani Chaos (siehe Artikel zum Thema) ist Ariadnes Colles kein Quellgebiet, das den Anfang eines talförmigen Entwässerungssystems bildet. Dies lässt die Frage offen, ob dieses Gebiet durch Einwirkung von Wind oder durch die erosive Wirkung von Wasser entstanden ist.

Ein Einschlagkrater so groß wie Hamburg

Bei dem dunkleren Material, welches besonders im Süden der Region das Gebiet zwischen den Blöcken bedeckt, handelt es sich vermutlich um Sand oder vulkanische Asche (Bildausschnitt 5). Stellenweise ist deutlich zu erkennen, dass das lockere, dunkle Material an die Hänge der größeren, tafelbergartigen Erhebungen geweht wurde (ebenfalls Bildausschnitt 5). Am rechten Bildrand, im Norden der Szene, ist ein großer, bis zu 1.200 Meter tiefer Einschlagkrater zu erkennen (Bildausschnitt 6), in dem sich ein kleinerer Krater befindet - der deshalb jünger als der große Krater ist. Der größere Krater ist mit einem Durchmesser von 30 Kilometern etwa so groß wie Hamburg. Der jüngere, kleinere Krater hat einen Durchmesser von zirka zehn Kilometern.

Die Farbansicht wurde aus dem senkrecht nach unten blickenden Nadirkanal und den Farbkanälen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) erstellt, die Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweißen Bilder wurden dem Nadirkanal entnommen, der von allen Kanälen die höchste Auflösung liefert.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.

Quelle

DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) ist die deutsche Raumfahrtagentur. Es wurde 1969 durch den Zusammenschluss mehrerer Einrichtungen gegründet.

Webseite: http://www.dlr.de

Farb-Draufsicht auf das Chaotische Gebiet von Ariadnes Colles
Diese senkrechte Farb-Draufsicht auf Ariadnes Colles wurde aus dem senkrecht nach unten blickenden Nadirkanal und den schräg auf die Oberfläche gerichteten Farbkanälen des Kamerasystems HRSC erstellt; Norden ist rechts im Bild.
© ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
Topographische HRSC-Bildkarte der Region Ariadnes Colles
Mit der Stereokamera HRSC auf Mars Express ist es möglich, aus den neun, unter verschiedenen Winkeln auf die Planetenoberfläche gerichteten Aufnahmekanälen so genannte digitale Geländemodelle abzuleiten, mit denen die Topographie der Landschaft bildhaft dargestellt werden kann. Dabei werden die topographischen Informationen auf die hochauflösende Aufnahme des Nadirkanals der HRSC übertragen. Norden ist rechts im Bild.
© ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
Perspektivischer Blick von Nordost nach Südwest über Ariadnes Colles
Aus den schräg auf die Oberfläche gerichtete Stereo- und Farbkanälen des Kamerasystems HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express können realistische, perspektivische Ansichten der Marsoberfläche erzeugt werden. Das Bild zeigt einen Blick aus Nordosten von oberhalb des Mars-Hochlands in Richtung Südwesten über das "Chaotische Gebiet" Ariadnes Colles.
© ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
Übersicht der Region Ariadnes Colles (Ausschnitte)
Das Bild zeigt zwei Ausschnitte einer Draufsicht auf die westliche Hälfte von Ariadnes Colles im südlichen Hochland des Mars; Norden ist rechts im Bild. Ariadnes Colles ist eines von vier so genannten "Chaotischen Gebieten" in der Region Terra Sirenum.
© ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
Hochauflösende Nadir-Draufsicht auf das Chaotische Gebiet von Ariadnes Colles
Der Nadirkanal liefert die höchste Auflösung des Kamerasystems HRSC auf der ESA-Raumsonde Mars Express. Während Orbit 4209 nahm die HRSC das Gebiet Ariadnes Colles aus einer Höhe von etwa 285 Kilometern in einer Auflösung von 13 Metern pro Bildpunkt (Pixel) auf. Die Abbildungen zeigen hiervon einen etwa 150 Kilometer mal 65 Kilometer großen Ausschnitt bei 34 Grad südlicher Breite und 172 Grad östlicher Länge. Norden ist rechts im Bild.
© ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
Topographische Übersichtskarte der Umgebung von Ariadnes Colles
Das "Chaotische Gebiet" Ariadnes Colles befindet sich im südlichen Marshochland bei 34 Grad südlicher Breite und 172 Grad östlicher Länge. Die Raumsonde Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA überflog die Region am 16. April 2007 während Orbit 4209 und nahm dabei die westliche Hälfte von Ariadne Colles auf.
© NASA / MGS / MOLA; FU Berlin